Thüringer Pauschalverbot von Windenergieanlagen in Wäldern verfassungswidrig
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Das generelle Verbot, in Thüringens Wäldern Windenergieanlagen zu errichten, ist verfassungswidrig und nichtig. Das hat das Bundesverfassungsgericht auf eine Verfassungsbeschwerde mehrerer Waldeigeigentümer hin entschieden. Dem Land fehle für das Verbot die Gesetzgebungskompetenz. Der Bund habe die bodenrechtliche Zulässigkeit von Windenergieanlagen und die Möglichkeiten eigener Regelungen der Länder abschließend im Baugesetzbuch geregelt.

Thüringen verbietet generell den Bau von Windrädern in Wäldern

Im Freistaat Thüringen ist die Errichtung von Windenergieanlagen in Wäldern durch § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG komplett verboten. Danach ist eine Änderung der Nutzungsart zur Errichtung von Windenergieanlagen unzulässig. Mehrere Waldeigentümerinnen und -eigentümer wandten sich gegen diese Regelung und rügten insbesondere eine Verletzung ihres Eigentumsrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 GG. Nachdem Teile des Waldbestands auf ihren Grundstücken wegen Schädlingsbefall gerodet wurde, wollen sie auf den Grundstücken Windenergieanlagen errichten.

BVerfG: Ländern fehlt Gesetzgebungskompetenz - abschließende Regelung im BauGB

Laut BVerfG ist das Verbot verfassungswidrig und nichtig. Das Verbot greife als Inhalts- und Schrankenbestimmung in das Eigentumsrecht ein. Dem Freistaat Thüringen fehle für die Regelung aber die Gesetzgebungszuständigkeit, sodass der Eingriff wegen formeller Verfassungswidrigkeit der Regelung nicht gerechtfertigt sei. § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG sei der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit für das Bodenrecht gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG zuzuordnen, da das Verbot die Nutzung von Waldflächen für die Errichtung von Windenergieanlagen komplett ausschließe, ohne dass naturschutzrechtliche und landschaftspflegerische Schutzbedarfe eine Rolle spielten. Der Bund habe die bodenrechtliche Zulässigkeit von Windenergieanlagen und die Möglichkeiten eigener Regelungen der Länder abschließend im Baugesetzbuch geregelt. Neben § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB (Privilegierung der Windenergie im Außenbereich) und § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB (Konzentrationszonenplanung) sei kein Raum für eine Regelung wie das Verbot in Thüringen. Nach § 249 Abs. 3 Satz 1 BauGB seien die Länder lediglich befugt, die Anwendung der Privilegierung von Mindestabständen zwischen Windenergie und Wohnbebauung abhängig zu machen.

Gebotener Klimaschutz spricht gegen Durchbrechung der Privilegierung  

Auch § 9 Abs. 3 Nr. 2 Bundeswaldgesetz (BWaldG), wonach die Länder die Umwandlung von Wald weiteren Einschränkungen unterwerfen oder, insbesondere bei Schutz- und Erholungswald, gänzlich untersagen können, öffne das Bundesrecht nicht für ein solches Verbot. Denn für eine so breite Durchbrechung der Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich wäre eine ausdrückliche Öffnung zu erwarten. Gegen eine Durchbrechung spreche auch, dass der Ausbau der Nutzung der Windkraft einen faktisch unverzichtbaren Beitrag zu der verfassungsrechtlich durch Art. 20a GG und durch grundrechtliche Schutzpflichten gebotenen Begrenzung des Klimawandels leiste und zugleich die - derzeit besonders gefährdete - Sicherung der Energieversorgung unterstütze. Ferner widersprächen pauschale Umwandlungsverbote durch den Landesgesetzgeber dem Bundesgesetz auch konzeptionell. § 9 BWaldG statuiere eine Abwägungsregel, an deren Stelle die Länder nicht pauschale Umwandlungsverbote setzen dürften.

Länder können Wälder unter Schutz stellen

Laut BVerfG können die Landesgesetzgeber aber Waldgebiete aufgrund ihrer Gesetzgebungskompetenz für Naturschutz und Landschaftspflege unter Schutz stellen, sofern diese Gebiete aufgrund ihrer ökologischen Funktion, ihrer Lage oder auch wegen ihrer Schönheit schutzwürdig und -bedürftig seien. In Thüringen habe der Gesetzgeber von dieser Möglichkeit schon vor der Einführung von § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG durch verschiedene Regelungen Gebrauch gemacht. Prägend für diese Regelungen sei aber ein über den generellen Bedarf nach unbebauter Natur und Landschaft hinausgehender spezifischerer Bedarf, konkrete Teile von Natur und Landschaft wegen ihrer besonderen Funktion, Lage oder Schönheit zu erhalten oder auch zu entwickeln.

BVerfG, Beschluss vom 27.09.2022 - 1 BvR 2661/21

Redaktion beck-aktuell, 10. November 2022.