In Prozess gegen syrische Geheimdienstler erhalten syrische Journalisten Hilfsmittel zur Übersetzung
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Syrischen Journalisten muss in einem Völkerstrafverfahren gegen mutmaßliche ehemalige Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes vor dem Oberlandesgericht Koblenz vorläufig die Möglichkeit eingeräumt werden, das deutschsprachige Prozessgeschehen simultan ins Arabische übersetzen zu können. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in einem Eilverfahren mit Blick auf das Informationsinteresse der Antragsteller entschieden.

Syrische Journalisten beobachten Strafverfahren gegen mutmaßliche syrische Geheimdienstmitarbeiter

Seit April findet vor dem Oberlandesgericht Koblenz ein Strafverfahren gegen zwei mutmaßliche ehemalige Mitarbeiter des syrischen Allgemeinen Geheimdienstes wegen Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch im syrischen Bürgerkrieg statt. Die Beschwerdeführer sind journalistisch tätige syrische Staatsangehörige, die über den Prozess berichten wollen. Sie sprechen jedoch kein Deutsch. Für die ebenfalls nicht Deutsch sprechenden Angeklagten und Nebenkläger findet eine gerichtlich bereitgestellte Simultanübersetzung ins Arabische statt, die per Kopfhörer übertragen wird. Im April ordnete das Gericht mit Blick auf die Ausbreitung des Coronavirus einen Mindestabstand an. Den Beschwerdeführern ist es daher nicht gestattet, wie üblich über selbst gestellte sogenannte Flüsterdolmetscher für eine eigene Simultanübersetzung ins Arabische zu sorgen.

Antrag der Journalisten auf Gestattung der Verwendung eigener Dolmetscheranlage abgelehnt

Die Beschwerdeführer beantragten deswegen, mit von ihnen selbst zu beschaffenden Empfangsgeräten Zugang zur gerichtlich gestellten Simultanübersetzung zu erhalten. Hilfsweise beantragten sie, dass ihnen erlaubt werde, über eigene Vorkehrungen im Gerichtssaal für eine akustisch abgeschirmte Simultanübersetzung zu sorgen. Diese Anträge wies die Vorsitzende mit dem angegriffenen Beschluss zurück.

BVerfG gibt Eilantrag vorläufig statt

Das BVerfG hat der dagegen gerichteten Eilbeschwerde der Journalisten stattgegeben. Das Grundrecht der Pressefreiheit gebiete es, Medienvertretern einen Anspruch auf gleichberechtigten und reellen Zugang zu Gerichtsverhandlungen zum Zweck der Berichterstattung zu gewähren. Ungeachtet dessen, dass die Zulassung von Arbeitsgeräten oder anderen Hilfsmitteln und die Festlegung infektionsschützender Maßnahmen im Gerichtssaal grundsätzlich der Prozessleitung der jeweiligen Vorsitzenden oblägen, müssten sitzungspolizeiliche Verfügungen den grundsätzlichen Anspruch der Presse auf Zugang für eine freie Berichterstattung berücksichtigen und dem Recht der Medienvertreter auf gleichheitsgerechte und reelle Teilhabe an den Berichterstattungsmöglichkeiten Rechnung tragen. Dies gelte auch mit Blick darauf, dass prozessbeobachtende Medienvertreter grundsätzlich auf Deutsch als Gerichtssprache verwiesen werden könnten.

Folgenabwägung zugunsten des Informationsinteresses

Prozessleitende Regelungen müssten aber auch in ihrem Zusammenspiel die Chancengleichheit der interessierten Medienvertreter realitätsnah und nicht nur formal gewährleisten. Es sei nicht auszuschließen, dass dieser Anspruch unter besonderen Umständen auch ein Recht auf Zulassung von Hilfsmitteln einschließe, die benötigt werden, um sich die Inhalte des Prozessgeschehens tatsächlich zu erschließen. Ob die Beschwerdeführer durch die angegriffene Verfügung in ihren Grundrechten verletzt seien, bedürfe einer näheren Prüfung, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müsse. Angesichts dessen gebiete eine Folgenabwägung in Anbetracht des besonderen Interesses gerade syrischer Medien und der von ihnen informierten Öffentlichkeit an dem vorliegenden Strafverfahren den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung.

BVerfG, Beschluss vom 18.08.2020 - 1 BvR 1918/20

Redaktion beck-aktuell, 20. August 2020.