Weltanschauungsgemeinschaft plante Veranstaltung mit Live-Musik an Karfreitag
Der Beschwerdeführer ist eine als Weltanschauungsgemeinschaft anerkannte Körperschaft des öffentlichen Rechts. Nach seinem Grundsatzprogramm versteht er sich als Gemeinschaft, die die Interessen und Rechte von Konfessionslosen auf der Basis der Aufklärung und des weltlichen Humanismus vertritt. Er tritt unter anderem für eine strikte Trennung von Kirche und Staat ein. Der Beschwerdeführer rief für den Karfreitag zu einer eintrittspflichtigen Veranstaltung in einem Münchener Theater auf. Diese stand unter dem Motto "Religionsfreie Zone München 2007" und umfasste neben dem untersagten Veranstaltungsteil Filmvorführungen ("Atheistische Filmnacht"/"Freigeister-Kino"), ein Pralinenbuffet sowie Erläuterungen der Anliegen und die Vorstellung der Ziele der Weltanschauungsgemeinschaft. Untersagt wurde die zum Abschluss der Veranstaltung vorgesehene "Heidenspaß-Party", die der Beschwerdeführer als "Freigeister-Tanz" mit einer Rockband angekündigt hatte.
Stilleschutz am Karfreitag im Bayerischen Feiertagsgesetz befreiungsfest ausgestaltet
Nach Ansicht der Ordnungsbehörde hätte der letzte Veranstaltungsteil gegen die Vorschriften des Bayerischen Feiertagsgesetzes (FTG) verstoßen. Das FTG bestimmt den Karfreitag als "stillen Tag", an dem über den allgemeinen Sonn- und Feiertagsschutz hinaus öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen, die den ernsten Charakter des Tages nicht wahren, sowie musikalische Darbietungen jeder Art in Räumen mit Schankbetrieb verboten sind. Anders als für die übrigen stille Tage schließt es die Möglichkeit einer Befreiung von diesen Handlungsverboten für den Karfreitag aus (Art. 5 Halbsatz 2 FTG). Die vom Beschwerdeführer erhobenen Rechtsbehelfe gegen die Untersagung blieben erfolglos. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung seiner Weltanschauungsfreiheit sowie der Versammlungsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 GG).
BVerfG: Besonderer Karfreitagsschutz grundsätzlich gerechtfertigt
Das BVerfG hat der Verfassungsbeschwerde stattgegeben und die Sache zurückverwiesen. Die Grundrechtseingriffe, die mit der Anerkennung des Karfreitags als gesetzlicher Feiertag und seiner Ausgestaltung als stiller Tag einschließlich des Verbots bestimmter öffentlicher Unterhaltungsveranstaltungen und musikalischer Darbietungen in Räumen mit Schankbetrieb verbunden seien, seien dem Grunde nach durch die verfassungsrechtliche Garantie des Sonn- und Feiertagsschutzes sowie der dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich verliehenen Befugnis, Feiertage anzuerkennen und die Art und das Ausmaß ihres Schutzes zu regeln (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV), gerechtfertigt. Die Auswahl des Karfreitags als gesetzlicher Feiertag sei weder neutralitäts- noch gleichheitswidrig. Dem Gesetzgeber sei es nicht verwehrt, im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit als Feiertage auch solche auszuwählen, die aufgrund von Traditionen, kultureller oder weltanschaulich-religiöser Prägung für große Bevölkerungsteile wichtig seien. Die Möglichkeit der Angehörigen anderer Religionen und Weltanschauungen, ihre Feiertage angemessen zu begehen, werde hierdurch nicht eingeschränkt.
Gesetzgeber darf im Rahmen der Verhältnismäßigkeit besonderen Ruheschutz schaffen
Die Ausgestaltung des Karfreitags als ein besonderen Regelungen unterliegender stiller Tag und damit die Schaffung eines qualifizierten Ruheschutzes ist laut BVerfG dem Grunde nach ebenfalls gerechtfertigt. Der Gesetzgeber könne das Ausmaß des Feiertagsschutzes gesetzlich ausgestalten. Insoweit stehe es ihm frei, für bestimmte Tage einen über die bloße Arbeitsruhe hinausgehenden äußeren Ruhe- und Stilleschutz zu schaffen. Wie umfassend er diesen Schutz im Einzelnen fassen dürfe, sei eine Frage der Verhältnismäßigkeit der Regelung.
Christlicher Tradition entsprechender Ruheschutz kein Verstoß gegen Neutralitätsprinzip
Auch die Schaffung eines besonderen Schutzes, der der gefestigten Bedeutung des Karfreitags nach christlicher Überlieferung entspreche, begegne im Grundsatz keinen durchgreifenden Bedenken mit Blick auf das grundgesetzliche Neutralitätsverständnis, solange sich der Gesetzgeber darauf beschränke, einen geschützten Rahmen zur Verfügung zu stellen, der eine in religiöser oder anderer Weise qualifizierte Begehung solcher Tage nur ermögliche. Die inhaltliche Ausfüllung dieses Freiraums obliege hingegen den Einzelnen allein oder in Gemeinschaft. Es sei dabei Teil der demokratisch legitimierten Ausgestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, über die Auswahl solcher Tage zu entscheiden, die nur für Teile der Bevölkerung eine spezifisch geprägte Rolle spielen. Auf die Frage, wie viele der Kirchenangehörigen den Karfreitag in seiner religiösen Bedeutung in Gemeinschaft oder zurückgezogen in Privatheit begehen, komme es daher nicht an.
Befreiungsfester Karfreitagsschutz aber unverhältnismäßig
Das BVerfG rügt die konkrete Ausgestaltung des Karfreitagsschutzes aber als unverhältnismäßig. Der Ausschluss einer Befreiungsmöglichkeit lasse sich in dieser Strenge für Fallgestaltungen, bei denen der Schutz des Feiertages mit den Gewährleistungen der Versammlungsfreiheit oder der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit anderer zusammenträfen, nicht mehr als angemessener Ausgleich der verfassungsrechtlichen Positionen begreifen. Der strikte Befreiungsausschluss des Art. 5 Halbsatz 2 FTG sei deshalb mit der Weltanschauungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit unvereinbar und nichtig.
Kollision mit Versammlungsfreiheit oder Bekenntnisfreiheit kann zu Unangemessenheit führen
Zwar seien Unterhaltungsveranstaltungen und musikalische Darbietungen in Räumen mit Schankbetrieb in der Regel nicht als Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG oder als Ausübung der Bekenntnisfreiheit zu qualifizieren, ebenso wie umgekehrt Versammlungen normalerweise nicht als Unterhaltungsveranstaltungen aufzufassen seien, so das BVerfG. Sei dies jedoch ausnahmsweise der Fall, könne dies zu einer vom Regelfall abweichenden Beurteilung der Angemessenheit von Verboten zum Schutz des stillen Charakters führen. Das Verbot stoße hier nicht allein auf ein schlichtes wirtschaftliches Erwerbsinteresse oder allein auf ein Vergnügungs- und Erholungsinteresse von Veranstaltern, Künstlern und potenziellen Besuchern, sondern betreffe wegen der besonderen Bedeutung der Versammlungsfreiheit als wesentliches Element "demokratischer Offenheit" die Teilhabe am öffentlichen Meinungsbildungsprozess und damit eine ihrerseits für das Gemeinwesen gewichtige grundrechtliche Gewährleistung. Entsprechendes gelte für Veranstaltungen, die dem Schutz der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, insbesondere auch in der Ausprägung als Weltanschauungsfreiheit, unterfielen.
Ausnahme von Verboten muss möglich sein
Nach Auffassung des BVerfG stellt die Durchführung solcher Veranstaltungen den grundsätzlichen Ruhe- und Stilleschutz am Karfreitag nicht gleichermaßen in Frage und hat ein anderes Gewicht, sodass sich der besondere Schutz der stillen Tage gegenüber den betroffenen Grundrechten in diesen Fällen nur nach Maßgabe einer Abwägung im Einzelfall durchsetzen könne. Würden solche Veranstaltungen von den Verbotsregeln des FTG erfasst, müsse der Gesetzgeber daher einen Ausnahmetatbestand vorsehen, der es ermögliche, Befreiungen von diesen Verboten zu erteilen. Der Erteilung von Befreiungen für Veranstaltungen bei derartigen Grundrechtskonflikten stehe auch nicht etwa die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der christlichen Teile der Bevölkerung entgegen. Aus dieser lasse sich keine verfassungsrechtliche Position ableiten, die den strikten Befreiungsausschluss rechtfertigen könnte. Insbesondere schütze sie nicht vor der Konfrontation mit Bekundungen eines nicht geteilten Glaubens oder einer nicht geteilten Weltanschauung.
Beschwerdeführer in Weltanschauungsfreiheit und Versammlungsfreiheit verletzt
Das BVerfG kommt zu dem Ergebnis, dass die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer in seiner Weltanschauungsfreiheit und Versammlungsfreiheit verletzen. Der untersagte Veranstaltungsteil sei dem Schutzbereich der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit in ihrer Ausprägung als Weltanschauungsfreiheit zuzuordnen und als Ausübung der Weltanschauungsfreiheit zu beurteilen. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer für die untersagte Veranstaltung auch den Schutz der Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen können. Die Gesamtschau aller Umstände, die wegen ihrer unmittelbaren Grundrechtsrelevanz vom BVerfG verfassungsrechtlich überprüfbar sei, führe hier zu dem Ergebnis, dass auch der untersagte Veranstaltungsteil dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit zuzuordnen ist.
Befreiung wäre zu erteilen gewesen
Da die Veranstaltung des Beschwerdeführers unter den Schutz der Weltanschauungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit falle, habe dem Feiertagsschutz nicht der unbedingte Vorrang gegeben werden dürfen, so das BVerfG. Vielmehr habe es einer Abwägung im Einzelfall bedurft. Im Ergebnis dieser Abwägung wäre eine Befreiung im Sinne des Art. 5 FTG zu erteilen gewesen. Das Gewicht der Grundrechte des Beschwerdeführers und der nach den Umständen des Einzelfalls vergleichsweise geringere Einfluss auf den besonderen äußeren Ruheschutz des Karfreitags führten hier dazu, dass bei verfassungskonformem Verständnis vom Vorliegen wichtiger Gründe für eine Befreiung habe ausgegangen werden müssen. Die Veranstaltung habe in einem geschlossenen Raum mit überschaubarer Teilnehmerzahl stattgefunden und sollte auch in ihrem zweiten Teil dort abgehalten werden. An dem konkreten Veranstaltungsort habe sie vergleichsweise geringe Auswirkungen auf den öffentlichen Ruhe- und Stillecharakter des Tages. Angesichts ihres thematischen Bezuges zum Karfreitag sei es auch maßgeblich darauf angekommen, die Veranstaltung gerade an diesem Tag abzuhalten. Schließlich hätte die Möglichkeit bestanden, dem Ruhe- und Stilleschutz durch Auflagen gerecht zu werden, welche die Auswirkungen für den Ruherahmen in seiner Bedeutung für den allgemein wahrnehmbaren Charakter des Tages als Ganzes gegebenenfalls weiter begrenzt hätten.