Selbstbelastungsfreiheit auch für Auskunft über die Person

Wer von der Polizei zwecks Ermittlung einer Ordnungswidrigkeit um Auskunft ersucht wird, wer der Verantwortliche für die Einhaltung von Vorschriften zur Gefahrgüterbeförderung sei, kann die Angabe der Daten verweigern, wenn er selbst oder ein naher Angehöriger diese Aufgabe innehat. Das Bundesverfassungsgericht hob eine anderslautende Entscheidung auf und betonte, dass niemand genötigt werden darf, sich selbst einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu bezichtigen. 

Gefahrgut ohne Feuerlöscher transportiert

Ein Speditionsunternehmen erhielt den Auftrag zur Beförderung einer Ladung, die die Polizei als Gefahrgut erkannte. Auf dem Lkw fehlte unter anderem ein Feuerlöscher, der für den Transport von Gefahrgütern vorgeschrieben ist. Die Polizei forderte von der Spedition die Bekanntgabe der Identität  der Person, die für die Einhaltung der Gefahrgutvorschriften verantwortlich ist, um diesen für die vorangegangene Ordnungswidrigkeit zu belangen. Der Fahrer schrieb zurück, er sei verantwortlich. Das akzeptierte die Polizei nicht, weil ein Angestellter keine Unternehmerpflichten wahrnehmen könne. Sie betrachtete den Geschäftsführer selbst als Verantwortlichen und trug ihm auf, seine Personendaten bekanntzugeben. Seine Personalien bekam sie, im Übrigen machte er aber im Hinblick auf den Verantwortlichen von seinem Zeugnisverweigerungsrecht für sich und nahe Angehörige Gebrauch. Er bekam Bußgelder in Höhe von 550 Euro wegen des fehlenden Feuerlöschers und in Höhe von weiteren 1.000 Euro auferlegt, weil er die Personalien des Gefahrgutbeauftragten nicht angegeben hatte. Auf seine Einsprüche hin stellte das Amtsgericht Regensburg das Verfahren wegen des ersten Bescheids ein, verurteilte ihn aber zu der zweiten Geldbuße. Dieses Urteil wurde vom Oberlandesgericht Bamberg gehalten. Erst seine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht war erfolgreich.

Niemand muss sich selbst belasten

Das BVerfG hob die fachgerichtlichen Urteile auf, weil sie gegen das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG (Persönlichkeitsrecht iVm Rechtsstaatsprinzip) und Art.  2 Abs. 1  in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (Persönlichkeitsrecht in Verbindung mit Menschenwürde) - lateinisch "nemo tenetur se ipsum accusare" - verstoßen. Die Auskunftspflicht in § 9 GGBefG bringe den Verpflichteten unter Umständen in den Konflikt, sich selbst einer Ordnungswidrigkeit zu bezichtigen, mit einer Falschaussage eine Straftat zu begehen, oder wegen des Schweigens Zwangsmaßnahmen zu erdulden. In dieser Situation billige das Grundgesetz ihm zu, von der Aussagefreiheit Gebrauch zu machen, denn der Zwang, sich selbst zu belasten, ist dem 2. Senat zufolge mit der Menschenwürde nicht zu vereinbaren. Sowohl der Beschuldigte in einem Strafverfahren als auch der Betroffene in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren dürften nicht genötigt werden, zu der eigenen Überführung aktiv beizutragen.

Überwachungsvorschriften laufen leer?

Die gesetzliche Auskunftspflicht nach § 9 GGBefG zum Schutz von Gemeinwohlbelangen kann verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, so das BVerfG. Die Polizei habe in ihren Schreiben aber deutlich gemacht, dass sie die Auskunft nicht haben wollte, um den Betrieb zu überwachen, sondern um den Verantwortlichen wegen des fehlenden Feuerlöschers beim Transport zu verfolgen. 

BVerfG, Beschluss vom 25.01.2022 - 2 BvR 2462/18

Redaktion beck-aktuell, 14. Februar 2022.

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