Richtervorlagen gegen strafbewehrtes Cannabisverbot unzulässig
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Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht die Unzulässigkeit mehrerer Richtervorlagen zum strafbewehrten Verbot von Cannabisprodukten festgestellt. Die vorlegenden Gerichte hielten Strafnormen des Betäubungsmittelgesetzes für verfassungswidrig, die den Umgang mit Cannabisprodukten betreffen. Das BVerfG entgegnete, eine konkrete Normenkontrolle sei kein Mittel der allgemeinen Aufsicht über den Gesetzgeber.

Die §§ 29 ff. BtMG stellen bestimmte Formen des Umgangs mit Betäubungsmitteln, also auch mit Cannabisprodukten, unter Strafe. Den inhaltlich nur geringfügig voneinander abweichenden Vorlagen der Amtsgerichte Bernau bei Berlin, Münster und Pasewalk fehle es bereits an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit aller vorgelegter Strafnormen für das jeweilige Ausgangsverfahren, argumentiert das BVerfG.

Im Übrigen genügten sie nicht den erhöhten Begründungsanforderungen, die an eine erneute Vorlage zu stellen seien. Es fehle an einer substantiierten Darlegung rechtserheblicher Änderungen der Sach- und Rechtslage, welche geeignet seien, eine erneute verfassungsgerichtliche Prüfung der mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 09.03.1994 entschiedenen Vorlagefragen zu veranlassen.

Richtervorlagen gegen Cannabisverbot

Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Beschluss vom 09.03.1994 unter anderem festgestellt, dass § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, soweit er das Handeltreiben sowie die Einfuhr, die Abgabe und den Erwerb von Cannabisprodukten ohne Erlaubnis mit Strafe bedroht, und § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG, soweit er den Besitz von Cannabisprodukten mit Strafe bedroht, mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Die vorlegenden Amtsgerichte haben mehrere Strafverfahren, in denen es jeweils um strafbewehrte Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz durch den Umgang mit Cannabisprodukten ging, ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes, soweit sie Cannabisprodukte betreffen, zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorgelegt.

Die Gerichte machen insbesondere geltend, das strafbewehrte Cannabisverbot greife unverhältnismäßig in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit, in das durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht und in die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützte Freiheit der Person ein und verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 103 Abs. 2 GG.

BVerfG hält Vorlagen für nicht ausreichend begründet

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG hat die Vorlagen verworfen. Soweit die Vorlagen pauschal alle Normen des Betäubungsmittelgesetzes, soweit sie den Umgang mit Cannabisprodukten beträfen, zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung stellten, fehle es bereits an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Vorschriften. Eine konkrete Normenkontrolle sei kein Mittel der allgemeinen Aufsicht über den Gesetzgeber.

Im Übrigen genügten die Vorlagen nicht den erhöhten Begründungsanforderungen, die an eine erneute Vorlage zu stellen seien. Es fehle an einer substantiierten Darlegung rechtserheblicher Änderungen der Sach- und Rechtslage, welche geeignet seien, eine erneute verfassungsgerichtliche Prüfung der mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994 entschiedenen Vorlagefragen zu veranlassen.

Gefährlichkeit von Cannabis nicht widerlegt

Der Umgang mit Drogen gehöre nicht zum unbeschränkbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung. Es gebe kein “Recht auf Rausch“, dass den Beschränkungen des Art. 2 Abs. 1 GG entzogen wäre. Die Regelungen sollen die Gesundheit sowohl des Einzelnen als auch der Bevölkerung im Ganzen vor den von Cannabisprodukten ausgehenden Gefahren schützen und vor allem Jugendliche vor der Abhängigkeit von Betäubungsmitteln bewahren.

Die Vorlagen zeigen nach Ansicht des BVerfG nicht substantiiert auf, dass die Gefahren des Umgangs mit Cannabis weggefallen sind. Zwar habe sich inzwischen der Cannabiskonsum als weit weniger gefährlich erwiesen, als es der Gesetzgeber noch bei Erlass des Betäubungsmittelgesetzes angenommen habe. Die Annahme gänzlich fehlender Gefährlichkeit von Cannabis sei aber weiterhin ungesichert. Die Vorlagen brächten somit keine neuen Erkenntnisse vor, welche diese Ausführungen aus dem Jahr 1994 als nicht mehr verfassungsrechtlich tragfähig erscheinen ließen.

Im Übrigen seien rechtspolitische Forderungen nach einer "besseren Cannabispolitik" generell nicht geeignet, die Entscheidung des Gesetzgebers im Hinblick auf ihre Erforderlichkeit zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zwecks verfassungsrechtlich tragfähig in Zweifel zu ziehen. Gesicherte kriminologische Erkenntnisse, die geeignet wären, den Gesetzgeber zu einer bestimmten Behandlung einer von Verfassung wegen gesetzlich zu regelnden Frage zu zwingen, oder doch die getroffene Regelung als mögliche Lösung auszuschließen, zeigten die Vorlagen nicht auf.

Umfassendes Cannabisverbot ist verhältnismäßig

Das allgemeine Konzept des Gesetzgebers, den Umgang mit Cannabisprodukten weitgehend zu verbieten, verstößt laut BVerfG auch nicht gegen das Übermaßverbot. Es sei durch die Zwecke gerechtfertigt, einerseits die Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren sowie der Gefahr einer psychischen Abhängigkeit zu schützen und andererseits kriminellen Organisationen, die den Drogenmarkt beherrschen, strafrechtlich entgegenzutreten. Diesen wichtigen Gemeinschaftsbelangen gegenüberstehende gleichwertige Interessen an einer Freigabe des Umgangs mit Cannabis seien nicht ersichtlich.

Die Amtsgericht rügen schließlich, dass Alkohol und Cannabis ungleich behandelt würden. Die Argumentation der Vorlagen, Alkoholkonsum sei weit gefährlicher und schädlicher als Cannabiskonsum und daher seien Cannabis und Alkohol keine “potenziell gleich gefährlichen Drogen“, genüge aber nicht den Darlegungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, zumal das Maß der Gesundheitsgefährdung nicht das einzig maßgebliche Kriterium für die Aufnahme eines Stoffs in die Positivliste bilde.

BVerfG, Beschluss vom 14.06.2023 - 2 BvL 3/20

Redaktion beck-aktuell, 11. Juli 2023.