Richtervorlage zum Rechnungszinsfuß bei Pensionsrückstellungen ist unzulässig
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Die Richtervorlage des FG Köln zur steuerlichen Bewertung von Pensionsrückstellungen mit einem starren Rechnungszinsfuß von 6% ist unzulässig. Wie das Bundesverfassungsgericht am Freitag mitteilte, hat das FG einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht ausreichend dargelegt.

Nach § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG ist zur Ermittlung der Pensionsrückstellung unter anderem ein starrer Rechnungszinsfuß von 6% anzuwenden. Die steuerrechtliche Vorschrift unterscheidet sich von den Vorgaben für die Handelsbilanz, deren Bewertungsvorschrift in § 253 Abs. 2 HGB keinen starren, sondern einen dynamischen, "atmenden" Rechnungszinsfuß vorsieht. Dieser betrug im hier gegenständlichen Streitjahr (2015) 3,89%.

Im Oktober 2017 setzte das FG Köln die zugrundeliegende Finanzstreitsache aus und legte dem BVerfG die Frage vor, ob § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG in der im Streitjahr 2015 geltenden Fassung mit der Verfassung vereinbar ist. Es hält die Vorschrift insoweit für verfassungswidrig, als darin ein Rechnungszinsfuß von 6% angeordnet wird. Dies sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

Keine Ungleichbehandlung mit Blick auf Realisationsprinzip

Nach Ansicht des BVerfG genügt die Vorlage schon nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das FG hatte eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf das im gesamten übrigen Bilanzsteuerrecht geltende Realisationsprinzip gesehen. Unternehmen, die Pensionsrückstellungen bildeten, seien mit "alle[n] übrigen Unternehmen, die sich an das Realisationsprinzip halten müssen", vergleichbar.

Dem BVerfG erschließt sich jedenfalls nicht ohne Weiteres, warum Unternehmen, die Pensionsrückstellungen bilden, mit all jenen Unternehmen vergleichbar sein sollen, "die sich an das Realisationsprinzip halten müssen". In steuerlicher Hinsicht werde durch Rückstellungen der (später) gewinnmindernde Aufwand zeitlich vor dem tatsächlichen Zahlungsmittelabfluss geltend gemacht. In der Handelsbilanz vorgenommene Rückstellungen begründeten keine zwingenden Vorgaben für die Steuerbilanz. Der Gesetzgeber habe mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vom 25.05.2009 die Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz gelockert. In der Gesetzesbegründung hieß es, es sei zu überprüfen, ob der handelsrechtliche Jahresabschluss seine bisherige Funktion, aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes die steuerliche Leistungsfähigkeit des bilanzierenden Kaufmanns abzubilden, weiterhin erfüllen könne. Mit Beschluss vom 12.05.2009 habe der Zweite Senat des BVerfG Normen, die die Bildung von Rückstellungen zur Jubiläumszuwendung in sachlicher und zeitlicher Hinsicht begrenzten, für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt (DStRE 2009, 922).

Mit diesen steuerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Maßgaben setze sich der Vorlagebeschluss nicht auseinander. Das Vorlagegericht verkenne die Maßgaben der Entscheidung des BVerfG. Ob eine Rückstellung steuerrechtlich beachtlich sei, sei eine Entscheidung über das "Wann" der Besteuerung. Indem der Gesetzgeber hierbei auf den Barwert abstelle und für seine Berechnung einen bestimmten Rechnungszinsfuß vorgebe, beschränke er die zeitlich vorgelagerte Berücksichtigung des späteren gewinnmindernden Aufwands und bestimme damit, wann welcher Teil dieses Aufwands geltend gemacht werden könne.

Es erschließe sich vor dem Hintergrund dieser Entscheidung auch nicht die Annahme des Vorlagegerichts, dass es "zu einer Ungleichbehandlung im Hinblick auf das im gesamten übrigen Bilanzsteuerrecht geltende Realisationsprinzip" komme. Das BVerfG messe dem Grundsatz der Maßgeblichkeit allenfalls eingeschränkt verfassungsrechtliche Bedeutung bei und sehe gute Gründe zu bezweifeln, dass eine aktuelle bilanzielle Gewinnminderung mit der aktuellen finanziellen Leistungsfähigkeit einhergehe.

Auch Vorwurf der Willkür greift nicht

Auch dem zweiten Begründungsansatz folgte das BVerfG nicht. Das Vorlagegericht habe eine nicht gerechtfertigte Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem erkannt. Steuerpflichtige würden unabhängig von der individuellen Rendite beziehungsweise den Verschuldungskonditionen gleichbehandelt, da "der Zinsvorteil der späteren Steuerzahlung einheitlich mit 6% typisiert" werde. Dies wäre hinnehmbar, wenn marktübliche Zinserträge typisiert würden, jedoch umso bedenklicher, je weiter sich die Typisierung von marktüblichen Zinssätzen entferne.

Das BVerfG betont seine ständige Rechtsprechung hinsichtlich des allgemeinen Gleichheitssatzes. Die Vorlage lege eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG nicht entsprechend den aufgezeigten Maßstäben dar. Das Gericht lasse insbesondere die gebotene Auseinandersetzung mit den Maßstäben zur Beurteilung des in § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG festgelegten Rechnungszinsfußes vermissen, die das BVerfG seiner Entscheidung vom 28.11.1984 (BeckRS 1984, 30421663) zugrunde gelegt habe. Der Erste Senat hatte damals entschieden, dass die damalige Anhebung des Rechnungszinsfußes für Pensionsrückstellungen von 5,5% auf 6% mit dem Grundgesetz vereinbar war. Unter dem Gesichtspunkt der unechten Rückwirkung ergäben sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken; wesentlich sei, dass sich der Zinsfuß in einem der wirtschaftlichen Realität angemessenen Rahmen halte.

Den Vorwurf der Willkür gegen § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG erhebe das Vorlagegericht allein insoweit, als sich kein einleuchtender Grund (mehr) für den Rechnungszinsfuß von 6% finde. Bereits den Bezugspunkt für eine realitätsgerechte Typisierung lege es jedoch nicht den Anforderungen entsprechend dar. Es erschließe sich aus der Vorlageentscheidung nicht, warum der Rechnungszinsfuß spätere Zinserträge oder den Zinsvorteil durch spätere Steuerzahlung typisieren müsste.

Da § 6a EStG eine zeitlich gestreckte steuerliche Geltendmachung der Aufwendungen zur Erfüllung von Pensionszusagen bezwecke, justiere der kalkulatorische Rechnungszinssatz den Steuerstundungseffekt aus der vorwegnehmenden Berücksichtigung künftiger Vermögensminderungen. Hieraus ergebe sich noch nicht, dass dieser Steuerstundungseffekt die gleiche Höhe haben müsste wie der Zinsvorteil, der durch die Steuerstundung entsteht.

BVerfG, Beschluss vom 28.07.2023 - 2 BvL 22/17

Redaktion beck-aktuell, 25. August 2023.