Rechte Studentenverbindung und linksautonomer Verein durften in Verfassungsschutzberichten genannt werden

Die Nennung von Vereinigungen in Verfassungsschutzberichten ist gerechtfertigt, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung vorliegen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt und deshalb die Verfassungsbeschwerden einer rechten Studentenverbindung und eines linksautonomen Vereins nicht zur Entscheidung angenommen.

Burschenschaft und autonomer Verein klagten

Im Verfahren 1 BvR 98/21 wendet sich eine burschenschaftlich organisierte Studentenverbindung gegen ihre Nennung in der Rubrik "Rechtsextremismus" des bayerischen Verfassungsschutzberichts 2015. Der Verfassungsschutz stützte die Nennung der Burschenschaft auf deren Auftreten, die politischen Aktivitäten und mutmaßliche Verbindungen zur NPD. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts reichten diese dokumentierten Aktivitäten als tatsächliche Anhaltspunkte für die Nennung im Bericht aus. Der Beschwerdeführer des Verfahrens 1 BvR 564/19 wendet sich als bundesweit tätiger Verein gegen seine Nennung im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 im Abschnitt “Autonome Linksextremisten“. Dort wird über Verbindungen des Vereins zur als verfassungsfeindlich eingestuften MLPD (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands) berichtet. Ein fachgerichtliches Eilverfahren und eine Verfassungsbeschwerde waren zunächst erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht entschied, dass die Art der Darstellung in einzelnen Passagen des Verfassungsschutzberichts rechtswidrig sei und diese entfernt werden müssten. Die Nennung im Bericht als solche sei jedoch nicht zu beanstanden.

BVerfG hält beide Nennungen für gerechtfertigt

Das Bundesverfassungsgericht hat beide Verfassungsbeschwerden verworfen. Die Nennung der Beschwerdeführenden in den Verfassungsschutzberichten sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Nennung tangiere zwar Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 9 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 3 GG. Die Eingriffe seien jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Fachgerichte hätten zu Recht konkrete Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Aktivitäten der Burschenschaft angenommen, die auf die Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung gerichtet gewesen seien. Insbesondere habe die Studentenverbindung auf Veranstaltungen Funktionäre der NPD auftreten lassen und dieser Partei in den sozialen Medien ein Forum geboten. Zudem sei einer ihrer Verantwortlichen Mitglied der NPD. Auch wenn die Partei nicht verboten sei, vertrete sie doch verfassungsfeindliche Positionen. Auch die Nennung der autonomen Vereins im Verfassungsschutzbericht 2013 des Landes Nordrhein-Westfalen sei gerechtfertigt gewesen, weil nach der fachgerichtlichen Bewertung tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung vorgelegen hätten. Das Oberverwaltungsgericht habe zu Recht die Gründungsgeschichte der Vereinigung sowie gemeinsame Aktivitäten mit einer als verfassungsfeindlich eingestuften politischen Partei in den Blick nehmen dürfen.

BVerfG, Beschluss vom 31.05.2022 - 1 BvR 98/21

Redaktion beck-aktuell, 15. November 2022.