BVerfG prüft Regeln für Wahl des Bundestags-Präsidiums

Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit der Frage befasst, wer Kandidatenvorschläge für die Wahl der Bundestags-Vizepräsidenten machen darf. Der AfD-Politiker Fabian Jacobi ist der Ansicht, dass er auch als einzelner Abgeordneter dazu berechtigt ist, wie er am 10.11.2021 in der Verhandlung in Karlsruhe sagte. Das Bundestagspräsidium gesteht dagegen nur den Fraktionen ein Vorschlagsrecht zu.

Streit um Stellvertreter-Posten im Bundestagspräsidium

Hintergrund ist, dass die AfD seit ihrem Einzug in den Bundestag 2017 als einzige Fraktion keinen Stellvertreter-Posten im Präsidium besetzt. Die anderen Parteien haben bisher sämtliche Kandidatinnen und Kandidaten durchfallen lassen. Deshalb hat auch die AfD-Fraktion in Karlsruhe Organklage eingereicht. Dabei handelt es sich jedoch um ein zweites, separates Verfahren, das noch anhängig ist. Die Geschäftsordnung des Bundestags sieht vor, dass jede Fraktion mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin stellt. Gleichzeitig gilt: "Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erhält." Diese Mehrheit haben die anderen Parlamentarier den AfD-Kandidaten bis heute verweigert. Denn viele Abgeordnete wollen die Rechtspopulisten grundsätzlich nicht im Leitungsgremium des Bundestags vertreten sehen.

AfD bemüht das "Recht auf dritten Wahlgang"

Indirekt hat auch Jacobis Klage damit zu tun. Er hatte im November 2019, als die AfD einen bereits einmal durchgefallenen Kandidaten erneut zur Wahl stellte, persönlich einen Fraktionskollegen vorschlagen wollen. Vizepräsidentin Petra Pau (Linke), die damals die Sitzung leitete, hatte Jacobis Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Auf Nachfragen von der Richterbank erläuterte Jacobi, sein Ziel sei die erfolgreiche Wahl eines Präsidiums gewesen. Denn in der Geschäftsordnung steht für den Fall eines dritten Wahlgangs: “Bei mehreren Bewerbern kommen die beiden Bewerber mit den höchsten Stimmenzahlen in die engere Wahl; gewählt ist, wer die meisten Stimmen auf sich vereinigt.“ Bei zwei Kandidaten der AfD hätten also auch die Stimmen aus den eigenen Reihen gereicht. Jacobi sagte: "Die Fraktion hatte Kenntnis davon und hat dem nicht widersprochen."

De facto ist nach dem zweiten Wahlgang Schluss

Tatsächlich kommt es bei den Präsidiumswahlen aber nie zu einem dritten Wahlgang. Der Bevollmächtigte des Bundestags-Präsidiums, Wolfgang Zeh, sagte, die Regelung würde zwar seit den 1950er Jahren "mitgeschleppt", habe sich aber überholt. Denn ohne eine echte Konkurrenz würde es sonst auf eine Benennung hinauslaufen. Deshalb sei grundsätzlich nach dem zweiten Wahlgang Schluss. “Jede Fraktion kommt einmal im Präsidium vor, das ist der Sinn.“ Der FDP-Abgeordnete Florian Toncar, der bis zur Bundestagswahl stellvertretender Vorsitzender des Geschäftsordnungsausschusses war, gab zu bedenken, mit einem eigenen Vorschlagsrecht könnten Abgeordnete ihrer oder einer fremden Fraktion auch einen Bundestags-Vize "ins Nest setzen", den diese gar nicht haben wolle. Es sei zwar gewünscht, dass alle Fraktionen dabei seien, aber Vertrauen könne man nicht justiziabel ausgestalten - auch nicht über den Umweg von Vorschlagsrechten einzelner Abgeordneter.

Amt repräsentiert den Bundestag nach außen

Auch Zeh sagte, die Vizepräsidenten hätten eine äußerst wichtige Aufgabe auch für die Repräsentation des Bundestags nach außen. “Es muss von den Fraktionen verantwortet werden, wen man da aufstellt.“ Die Stellvertreter leiten auch Sitzungen und wachen über die Einhaltung der parlamentarischen Ordnung. Die Richterinnen und Richter des Zweiten Senats setzen nun ihre Beratungen fort und erarbeiten das Urteil. Es wird erfahrungsgemäß einige Monate nach der Verhandlung verkündet.

Redaktion beck-aktuell, 11. November 2021 (dpa).