NRW-Polizeipräsident durfte nicht in einstweiligen Ruhestand geschickt werden
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Nach den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht 2015/2016 wurde der damalige Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers in den einstweiligen Ruhestand geschickt. Das BVerfG hat nun die einschlägige, Polizeipräsidenten als politische Beamte einstufende Vorschrift für verfassungswidrig erklärt.

In der Kölner Silvesternacht 2015/2016 war es rund um den Kölner Dom und am Hauptbahnhof zu zahlreichen sexuellen Übergriffen, Raubtaten und Diebstählen gekommen. Der damalige Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers wurde in der Folge in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Beamte sind zwar grundsätzlich auf Lebenszeit beschäftigt (Lebenszeitprinzip). Das nordrhein-westfälische Beamtengesetz stuft Polizeipräsidenten aber als politische Beamte ein, die jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können (§ 37 Abs. 1 Nr. 5 LBG NRW).

Das OVG Münster, das in dem Streit um die Versetzung entscheiden muss, setzte das Verfahren aus und schaltete das BVerfG ein. Es hielt die Regelung zum einstweiligen Ruhestand für verfassungswidrig. Denn der Polizeipräsident gehöre nicht zum Kreis enger Berater der Regierung. Er habe nicht die Aufgabe, die politische Zielvorstellungen an der Nahtstelle von Politik und Verwaltung umzusetzen. Vor dem VG war Albers zuvor gescheitert.

Verstoß gegen Lebenszeitprinzip

Das BVerfG hat die Regelung nun wegen Verstoßes gegen das in Art. 33 Abs. 5 GG verankerte Lebenszeitprinzip für verfassungswidrig und nichtig erklärt (Beschluss vom 09.04.2024 - 2 BvL 2/22). Zwar bildeten politische Beamte eine anerkannte Ausnahme von diesem Prinzip, das zur Sicherung einer rechtsstaatlichen Verwaltung die Unabhängigkeit der Beamtinnen und Beamten mit gewährleisten soll. Das sei dadurch gerechtfertigt, dass politische Beamte "in besonderer Weise des politischen Vertrauens der Staatsführung bedürfen und in fortwährender Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müssen". Es handele sich regelmäßig um "Transformationsämter", in denen "politische Vorgaben über den bloßen – gegebenenfalls ermessensgesteuerten – Vollzug bereits vorhandenen Gesetzesrechts hinaus in gesetzeskonformes und rechtsstaatliches Verwaltungshandeln umzusetzen" seien.

Es gibt laut BVerfG aber keine Rechtfertigung, NRW-Polizeipräsidenten als politische Beamte einzustufen. "Weder der den Polizeipräsidenten in Nordrhein-Westfalen zugewiesene Aufgabenbereich oder der ihnen zugemessene Entscheidungsspielraum noch ihre organisatorische Stellung, der Umfang der ihnen auferlegten Beratungspflichten gegenüber der Landesregierung oder andere Gesichtspunkte weisen das Amt des Polizeipräsidenten als ein 'politisches' aus", so das BVerfG. NRW-Polizeipräsidenten hätten nur geringe Entscheidungsspielräume, ihnen komme daher keine politische Schlüsselstelle für die Umsetzung der Regierungsziele zu, die ein besonderes Vertrauen der Regierung erforderte. Deutlich gegen einen Status als politische Beamte sprächen auch ihre Meldepflichten unter anderem gegenüber dem Innenministerium. Es gehe nicht darum, das Ministerium zu beraten, sondern um eine Verlagerung der Entscheidungszuständigkeit auf eine höhere Ebene.

Gegen die Einstufung als politische Beamte spreche zudem die organisatorische Stellung der Polizeipräsidenten. Denn neben den Polizeipräsidenten fungierten auch Landräte als Kreispolizeibehörden. Diese seien aber Wahlbeamte, Regierungskonformität sei bei ihnen also gerade nicht gewährleistet. Das zeige, dass Leiter einer Kreispolizeibehörde gerade nicht eines besonderen politischen Vertrauensverhältnisses zur Regierung bedürften. Auch aus der Anzahl der Kreispolizeibehörden in NRW lasse sich nichts für eine Einstufung der Polizeipräsidenten als politische Beamte herleiten. Denn angesichts der Organisationsstruktur "wäre die Etablierung eines besonders engen Vertrauensverhältnisses zu jedem einzelnen Polizeipräsidenten mit dem Ziel, landesweit relevante politische Vorgaben zu erörtern und durchzusetzen, kaum effektiv und daher fernliegend".

BVerfG, Beschluss vom 09.04.2024 - 2 BvL 2/22

Redaktion beck-aktuell, hs, 16. Mai 2024.