Nichtzulassung Berliner NPD-Landesliste zur Bundestagswahl 2017 war rechtswidrig
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© Uli Deck / dpa

Die Nichtzulassung der Landesliste der NPD für die Wahl des 19. Deutschen Bundestages im Land Berlin war trotz verfrühter Wahl der Delegierten zur Vertreterversammlung wegen Verstoßes gegen die Parteienfreiheit rechtswidrig. Ein Anspruch auf Ungültigerklärung der Bundestagswahl 2017 bestehe aber nicht, entschied das Bundesverfassungsgericht am 23.03.2022 auf die Wahlprüfungsbeschwerde der Partei (Az.: 2 BvC 22/19).

Landeswahlausschuss lehnte Zulassung der NPD-Landesliste ab

Im Oktober 2016 fand in Berlin die besondere Vertreterversammlung der NPD zur Aufstellung einer Landesliste für die Bundestagswahl 2017 statt. Die Vertreter eines Kreisverbandes waren bereits im Februar 2016 gewählt worden, nahmen an der besonderen Vertreterversammlung jedoch nicht teil. Weil die Wahlen der Delegierten zur Vertreterversammlung gemäß § 27 Abs. 5 in Verbindung mit § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG erst frühestens 29 Monate nach dem Beginn der Wahlperiode des Deutschen Bundestages stattfinden dürfen, lehnte der Landeswahlausschuss die Zulassung der eingereichten Landesliste ab. Nach erfolgloser Beschwerde wies auch der Deutsche Bundestag den erhobenen Wahleinspruch als unbegründet zurück, weil die Landesliste den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprochen habe. Die Beschwerdeführenden machten geltend, dass die Bundestagswahl 2017 im Land Berlin für ungültig zu erklären und eine Wiederholung der Wahl anzuordnen sei. Es liege eine Verletzung der Parteienfreiheit aus Art. 21 Abs. 1 GG und des passiven Wahlrechts vor.

BVerfG: Fristverstoß wirkt sich nicht auf Zulassungsfähigkeit der Landesliste aus

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Wahl zwar nicht für ungültig zu erklären sei, dass aber vorliegend die Zurückweisung der Landesliste wegen des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die Parteienfreiheit und die Wahlfreiheit verfassungswidrig gewesen sei. § 28 BWahlG sei verfassungskonform auszulegen, sodass eine Landesliste, die – wie im vorliegenden Fall – unter Nichtbeteiligung verfrüht gewählter Delegierter aufgestellt worden sei, regelmäßig nicht allein aus diesem Grund zurückgewiesen werden dürfe. Gemäß § 27 Abs. 5 in Verbindung mit § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG dürften die Wahlen der Delegierten für die Vertreterversammlung zur Aufstellung der Landeslisten zwar frühestens 29 Monate nach dem Beginn der Wahlperiode des Deutschen Bundestages stattfinden. Von einem Verstoß gegen die Fristbestimmung zu unterscheiden sei jedoch die Frage, welche Rückwirkungen sich hieraus für die Zulassungsfähigkeit einer Landesliste ergäben. Dabei könne nicht davon ausgegangen werden, dass jegliche Verletzung einer Bestimmung des Bundestagswahlrechts ohne Weiteres dazu führe, dass eine Landesliste den “Anforderungen“ im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BWahlG nicht entspreche, die an eine zulassungsfähige Landesliste zu stellen seien.

Verfrüht gewählte Vertreter nahmen nicht an Listenaufstellung teil

Zwar führe die Wahl einzelner Vertreter unter Verstoß gegen § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG dazu, dass diese bei der Vertreterversammlung weder stimm- noch vorschlagsberechtigt seien. Nehmen diese Delegierten an der Vertreterversammlung aber gar nicht teil, habe dies nicht zur Folge, dass die aufgestellte Landesliste zurückgewiesen werden müsse. Das gesetzliche Gebot, die Wahl der Vertreter für die Vertreterversammlung zur Aufstellung der Landesliste frühestens 29 Monate nach Beginn der Wahlperiode des Deutschen Bundestages stattfinden zu lassen, bezwecke, dass die gewählten Kandidatinnen und Kandidaten den aktuellen mehrheitlichen Willen der Parteimitglieder repräsentieren. Nähmen die vorzeitig gewählten Vertreter an der Listenaufstellung aber gar nicht teil, bestehe kein Risiko, dass diese Vertreter zu einer Listenaufstellung beitragen würden, die den gegenwärtigen mehrheitlichen Willen der Parteimitglieder nicht abbilde.

Liste repräsentierte Parteiwillen

Daneben soll § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG das Wahlvorschlagsrecht kurz vor der Listenaufstellung eingetretener Neumitglieder der jeweiligen Partei schützen. Zwar werde bei einer vorzeitigen Vertreterwahl neuen Parteimitgliedern zunächst die Möglichkeit genommen, sich selbst um eine Benennung als Delegierter zu bemühen und von ihrem Wahl- beziehungsweise Wahlvorschlagsrecht Gebrauch zu machen. Nähmen die stattdessen bestimmten Delegierten ihr Mandat aber nicht wahr, bestehe zumindest nicht das Risiko, dass die Listenaufstellung nur durch angestammte Parteimitglieder erfolge und die gewählten Wahlbewerberinnen und -bewerber nicht den aktuellen Parteiwillen repräsentierten. Außerdem bleibe es den neuen Mitgliedern unbenommen, die erneute – fristgemäße – Benennung von Delegierten für die Vertreterversammlung zur Aufstellung der Landesliste einzufordern und sich dabei als Delegierte zu bewerben.

BVerfG, Beschluss vom 23.03.2022 - 2 BvC 22/19

Redaktion beck-aktuell, 14. April 2022.