BVerfG: Mietpreisbremse ist verfassungskonform

Die 2015 eingeführte Mietpreisbremse ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 18.07.2019 entschieden. Sie verstoße weder gegen die Eigentumsgarantie noch gegen die Vertragsfreiheit oder den allgemeinen Gleichheitssatz (Az.: 1 BvL 1/18, 1 BvR 1595/18, 1 BvL 4/18).

Mietpreisbremse

Mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz wurden Bestimmungen über die höchstzulässige Miete bei Wiedervermietung von nicht der Preisbindung unterliegendem Wohnraum ins Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eingefügt. Zentrale Neuregelung ist § 556d BGB, der vorsieht, dass die Miete in Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um 10 % übersteigen darf. Ein angespannter Wohnungsmarkt liegt vor, wenn in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. § 556d Abs. 2 BGB ermächtigt die Landesregierungen, solche Gebiete durch Rechtsverordnung für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu bestimmen. Nur in einem durch Rechtsverordnung bestimmten Gebiet wird die Mietobergrenze wirksam. Sie gilt jedoch nicht ausnahmslos. Insbesondere darf der Vermieter, wenn die vom vorherigen Mieter zuletzt geschuldete Miete die ansonsten höchstzulässige Miete übersteigt, gemäß § 556e BGB bei Wiedervermietung eine Miete bis zur Höhe dieser Vormiete vereinbaren. Nach dem 01.10.2014 errichteter Wohnraum sowie die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung sind nach § 556f BGB von der Regulierung der Miethöhe ausgenommen.

Mietpreisbremse seit 2015 in Berlin in Kraft

Für die Stadt Berlin hat der Senat von Berlin im Jahr 2015 eine Rechtsverordnung erlassen, die das gesamte Stadtgebiet für die Dauer von fünf Jahren als Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt bestimmt.

LG Berlin rief BVerfG an

In den Ausgangsverfahren der beiden Normenkontrollverfahren 1 BvL 1/18 und 1 BvL 4/18 wendeten sich Berliner Mieter gegen die Vereinbarung einer die höchstzulässige Miete bei Mietbeginn übersteigenden Miete. In der Berufungsinstanz setzte das Landgericht die zugrundeliegenden Verfahren aus und legte dem BVerfG die Frage vor, ob § 556d Abs. 1 und 2 BGB mit dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar und daher nichtig sei.

Vermieterin wehrte sich gegen Rückzahlung überhöhter Miete

Die Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 1595/18, eine Vermieterin einer in Berlin gelegenen Wohnung, wurde von ihrer Mieterin gerichtlich auf Rückzahlung überzahlter Miete und Feststellung der Geltung einer abgesenkten Miete in Anspruch genommen, weil die bei Mietbeginn vereinbarte Miete die höchstzulässige Miete überstiegen habe. Die Verfassungsbeschwerde richtete sich unmittelbar gegen die überwiegend stattgebenden Entscheidungen der Fachgerichte und mittelbar gegen die gesetzlichen Vorschriften über die Miethöhenregulierung sowie die vom Senat von Berlin erlassene Rechtsverordnung. Die Beschwerdeführerin rügte ebenfalls eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes. Darüber hinaus sah sie sich in ihrem Grundrecht auf Eigentum und ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt.

BVerfG: Eigentumsgarantie nicht verletzt

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde der Vermieterin mangels hinreichender Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen. Die Regulierung der Miethöhe bei Mietbeginn durch § 556d Abs. 1 BGB verletze nicht die Garantie des Eigentums. Zwar greife die Miethöhenregulierung in das geschützte Eigentum zur Vermietung bereiter Wohnungseigentümer ein.

Mietpreisbremse kann Verdrängung wirtschaftlich schwacher Mieter entgegenwirken

Sie sei aber als verfassungsrechtlich zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gerechtfertigt, so das BVerfG. Es liege im öffentlichen Interesse, der Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Stadtteilen entgegenzuwirken. Die Regulierung der Miethöhe sei auch im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Sie schneide Preisspitzen auf angespannten Wohnungsmärkten ab und könne damit zumindest die Voraussetzungen für einen Marktzugang einkommensschwächerer Mieter schaffen. Nicht auszuschließen sei zudem, dass die Miethöhenregulierung Wohnungssuchenden aus einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten, die bei einem Wohnungswechsel aufgrund gestiegener Mieten in ihrem bisherigen Stadtteil ohne Miethöhenregulierung keine für sie bezahlbare Wohnung hätten finden können, das Anmieten einer Wohnung in ihrer angestammten Umgebung ermögliche.

Kein milderes Mittel

Die Miethöhenregulierung sei auch erforderlich, um das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen, fährt das BVerfG fort. Zwar kämen anderweitige staatliche Maßnahmen zur Linderung oder Behebung der Wohnungsnot in Betracht, etwa die Förderung des Wohnungsbaus oder die erweiterte Gewährung von Wohngeld. Ungeachtet der mit diesen Maßnahmen verbundenen Kosten sei aber nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber diese im Rahmen seines Prognose- und Beurteilungsspielraums als gegenüber der Miethöhenregulierung mildere und zweifelsfrei - auch kurzfristig - vergleichbar wirksame Mittel hätte heranziehen müssen.

Mietpreisbremse für Vermieter auch zumutbar

Das BVerfG hält die gesetzliche Regulierung der Miethöhe für Vermieter auch zumutbar. Der Gesetzgeber habe seinen weiten Gestaltungsspielraum nicht überschritten und die schutzwürdigen Interessen der Eigentümer und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht. Die Eigentumsgarantie gebiete nicht, Rechtspositionen für alle Zukunft in ihrem Inhalt unangetastet zu lassen. Auf dem sozialpolitisch umstrittenen Gebiet des Mietrechts müssten Vermieter mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen und könnten nicht auf den Fortbestand einer ihnen günstigen Rechtslage vertrauen. Ihr Vertrauen, mit der Wohnung höchstmögliche Mieteinkünfte erzielen zu können, werde durch die Eigentumsgarantie nicht geschützt.

§ 556d Abs. 2 BGB gewährleistet Verhältnismäßigkeit

Das Verfahren zum Inkraftsetzen der Mietobergrenze sichert, dass die Miethöhenregulierung über das nach den gesetzgeberischen Zielen gebotene Maß nicht hinausgeht. Der Gesetzgeber habe davon ausgehen dürfen, dass die zum Verordnungserlass berufenen Landesregierungen das Vorliegen eines angespannten Wohnungsmarktes regelmäßig besser als der Bundesgesetzgeber beurteilen können. Auch seien die gesetzlichen Anforderungen an die Verordnungsbegründung geeignet, die Landesregierung zu einer sorgfältigen Prüfung der Erlassvoraussetzungen auch mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Vermietereigentum anzuhalten. Bejahe eine Landesregierung die Voraussetzungen zum Erlass der Verordnung zu Unrecht, könne ein Vermieter dies zudem vor den Gerichten angreifen.

Mietpreisbremse durch Beschränkung auf angespannte Wohnungsmärkte angemessen begrenzt

Ferner gewährleiste die Beschränkung der Miethöhenregulierung auf angespannte Wohnungsmärkte, dass sie gerade in solchen Gemeinden oder Gemeindeteilen zur Anwendung kommen könne, in denen die Belange der Mietinteressenten besonderen Schutzes bedürften, erläutert das BVerfG weiter. Zugleich begrenze das in der Rechtsprechung entwickelte Verständnis eines angespannten Wohnungsmarktes die mit der Miethöhenregulierung verbundene Durchsetzung der Interessen von Mietern oder Wohnungssuchenden auf ein den Gesetzeszielen entsprechendes Maß.

Einfluss auf ortsübliche Vergleichsmiete begründet keine Unzumutbarkeit

Das BVerfG sieht die Nutzungsmöglichkeiten von Wohneigentum schließlich auch nicht dadurch unzumutbar eingeschränkt, dass in die der Mietobergrenze zugrundeliegende ortsübliche Vergleichsmiete mit fortschreitender Geltungsdauer der Mietobergrenze in zunehmendem Maß regulierte Mieten einfließen. Zum einen träten diese Auswirkungen zeitlich versetzt ein und würden dadurch abgemildert, dass die höchstzulässige Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um 10 % übersteigen dürfe. Im Übrigen gewährleisteten die gesetzlichen Geltungsausnahmen von der Mietobergrenze und die auf höchstens fünf Jahre beschränkte Geltungsdauer der Miethöhenregulierung auch in deren Anwendungsbereich eine hinreichende Anbindung der ortsüblichen Vergleichsmiete an die jeweilige Marktmiete. Die Miethöhenbegrenzung greife auch nicht in einem Umfang in das Eigentum ein, dass dauerhafte Verluste für Vermieter, eine Substanzgefährdung der Mietsache oder der Wegfall jeder sinnvollen Nutzungsmöglichkeit zu erwarten wären.

Kein Verstoß gegen Vertragsfreiheit

Der Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Freiheit von Vertragsparteien, im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung die Gegenleistung nach ihren Vorstellungen auszuhandeln, hält sich laut  BVerfG ebenfalls innerhalb der Schranken der verfassungsmäßigen Rechtsordnung und wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Auch kein Verstoß gegen allgemeinen Gleichheitssatz

Nach Auffassung des BVerfG greift die Mietobergrenze auch nicht gleichheitswidrig in das Vermietereigentum ein. Es verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass die zulässige Mietobergrenze anhand der ortsüblichen Vergleichsmiete bestimmt werde, was zu deutschlandweit unterschiedlichen Mietobergrenzen führe. Im Hinblick auf die Verschiedenheit der örtlichen Wohnungsmärkte erscheine bereits das Vorliegen vergleichbarer Sachverhalte zweifelhaft.

Differenzierungskriterium der ortsüblichen Vergleichsmiete sachgerecht

Eine etwaige Ungleichbehandlung sei aber jedenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Sie knüpfe an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium an. Das Abstellen auf die ortsübliche Vergleichsmiete solle die Marktbezogenheit der regulierten Miete und damit die Wirtschaftlichkeit der Vermietung regelmäßig sicherstellen. Dies sei angesichts dessen, dass die auf den jeweiligen Wohnungsmärkten vorherrschenden Bedingungen regionalen Abweichungen unterlägen, sachgerecht. Als Unterscheidungskriterium sei die ortsübliche Vergleichsmiete im verfassungsrechtlichen Sinn auch geeignet und erforderlich, einen hinreichenden Bezug zur regional unterschiedlichen Marktmiete herzustellen, so das BVerfG. Nach § 558 Abs. 2 BGB werde sie anhand der üblichen Mieten für vergleichbaren Wohnraum in den letzten vier Jahren ermittelt. Damit spiegelten ihre regionalen Abweichungen die regionalen Abweichungen der Marktmiete wider.

Abstellen auf ortsübliche Vergleichsmiete verhältnismäßig

Das Abstellen auf die ortsübliche Vergleichsmiete sei auch verhältnismäßig. Dass Vermieter die Lage der zu vermietenden Wohnung nicht beeinflussen könnten, gebiete insbesondere nicht, ihnen die Vermietung bis zu einer bundesweit einheitlichen Miethöhe zu ermöglichen. Die Wirtschaftlichkeit der Vermietung hänge auch von den auf den regionalen Mietmärkten vorherrschenden Bedingungen ab. Eine bundesweit einheitliche Mietobergrenze bleibe dazu aber ohne hinreichenden sachlichen Bezug. Zugleich fehle es ihr an einer hinreichenden Anknüpfung an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der betroffenen Mieter, so dass eine solche Regelung der beabsichtigten Verdrängung einkommensschwächerer Mieter aus deren angestammten Wohnvierteln nicht effektiv entgegenwirken könne.

Gleichbehandlung privater und gewerblicher Vermieter nicht zu beanstanden

Dem BVerfG zufolge verstößt die Miethöhenregulierung auch nicht deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, weil private Vermieter und gewerbliche Vermieter gleichbehandelt würden. Die mit der Miethöhenregulierung verfolgten Ziele rechtfertigten es, die Mietobergrenze unterschiedslos und ungeachtet der wirtschaftlichen Bedeutung der Mieteinnahmen für den Vermieter anzuwenden.

Ausnahmen mit Gleichheitssatz vereinbar

Auch die Privilegierung von Vermietern, die ihre Wohnung vor der Wiedervermietung zu einer oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegenden Vormiete vermietet hatten, verletze den allgemeinen Gleichheitssatz nicht. Die Herausnahme von nach dem 01.10.2014 erstmals genutzten und vermieteten Wohnungen aus dem Anwendungsbereich der Miethöhenbegrenzung in § 556f Satz 1 BGB verstoße ebenfalls nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.

Mietenbegrenzungsverordnung für Berlin ebenfalls verfassungskonform

Die Mietenbegrenzungsverordnung für Berlin ist laut BVerfG ebenfalls mit der Verfassung vereinbar. Sie verletz nicht die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG. Die Verordnung wahre die verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Vorgaben des ermächtigenden Gesetzes und genüge den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere habe der Senat von Berlin eine Erstreckung der Verordnung auf das gesamte Berliner Stadtgebiet und ihre Befristung auf die höchstmögliche Dauer von fünf Jahren als erforderlich ansehen dürfen.

Fachgerichtliche Entscheidungen nicht zu beanstanden

Schließlich ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die mit der Verfassungsbeschwerde unmittelbar angegriffenen Gerichtsentscheidungen gegen Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte der Beschwerdeführerin verstoßen.

Vorlagen mangels hinreichender Begründung unzulässig

Das BVerfG hat die Vorlagen für unzulässig erachtet, weil das vorlegende Gericht sie nicht hinreichend begründet habe. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG müsse das Gericht in seiner Vorlageentscheidung angeben, inwiefern seine Entscheidung in dem zugrundeliegenden Ausgangsrechtsstreit von der Gültigkeit der vorgelegten Rechtsvorschrift abhängig und mit welcher grundgesetzlichen Bestimmung die Vorschrift unvereinbar sei. Es müsse zum einen deutlich werden, inwiefern die angenommene Ungültigkeit der vorgelegten Vorschriften das Ergebnis des Ausgangsrechtsstreits beeinflussen solle. Zum anderen müsse das Gericht darlegen, dass und warum es von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Vorschriften überzeugt sei. Dem würden die Vorlagen nicht gerecht.

BVerfG, Beschluss vom 18.07.2019 - 1 BvL 1/18

Redaktion beck-aktuell, 20. August 2019.