Beschwerdeführer bezeichnete Sozialarbeiterin als "Trulla"
Dem Verfahren liegt eine mündliche Äußerung des in Sicherungsverwahrung befindlichen Beschwerdeführers gegenüber einer Sozialarbeiterin einer Justizvollzugsanstalt zugrunde. Wegen Computerproblemen war das für Einkäufe in der Einrichtung verfügbare Taschengeld des Beschwerdeführers zu dem Zeitpunkt, zu dem Bestellungen aufzugeben gewesen wären, noch nicht gebucht. Da der Beschwerdeführer fürchtete, dass das Geld nicht rechtzeitig für einen Einkauf zur Verfügung stehen und er die Bestellmöglichkeit verpassen würde, suchte er am selben Tag in aufgeregtem Zustand das Dienstzimmer einer Sozialarbeiterin der Justizvollzugsanstalt auf. Da er das Gefühl hatte, mit seinem Anliegen nicht zu dieser durchzudringen, wurde er wütend und bezeichnete sie im Rahmen eines Wortschwalls als "Trulla".
Wegen Beleidigung zu Geldstrafe verurteilt
Der Beschwerdeführer wurde deshalb von den Strafgerichten wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Bezeichnung als "Trulla" habe grundsätzlich ehrverletzenden Charakter, weil das Wort "Trulla" im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet werde, um abwertend über weibliche Personen zu sprechen. In der konkreten Situation sei der Begriff auch nicht neckisch gemeint und ohne beleidigenden Charakter gewesen. Mit seiner dagegen eingelegten Verfassungsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung seiner Meinungsfreiheit.
BVerfG: Verurteilungen verletzen Meinungsfreiheit
Das BVerfG hat die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidungen genügten nicht den Anforderungen des Grundrechts auf Meinungsfreiheit an strafrechtliche Verurteilungen wegen ehrherabsetzender Äußerungen. Das BVerfG bekräftigt, dass eine strafrechtliche Verurteilung nach §§ 185 f., 193 StGB wegen ehrschmälernder Äußerungen in aller Regel eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Interessen in den konkreten Umständen des Falles erfordere. Der Umstand allein, dass eine Äußerung die betroffene Person in ihrer Ehre herabsetze, genüge für eine Strafbarkeit nicht, sondern begründe gerade erst das Abwägungserfordernis. Voraussetzung einer solchen Abwägung sei, dass die durch die Verurteilung berührten Meinungsfreiheitsinteressen überhaupt gerichtlich erkannt und erwogen werden.
BVerfG: Meinungsfreiheit gar nicht erkannt und erwogen
Dem genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht, so das BVerfG. Die Strafgerichte hätten die Meinungsfreiheit gar nicht erst als einschlägig erkannt und erwogen. Entsprechend hätten sie eine Abwägung der gegenläufigen Ehrschutz- und Meinungsfreiheitsinteressen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände nicht vorgenommen. Vielmehr werde der beleidigende Charakter der inkriminierten Äußerung unmittelbar aus deren bewusst herabsetzendem und kränkendem Gehalt gefolgert. Eine Einordnung als Schmähkritik, die eine Abwägung entbehrlich machen könnte, werde zwar angedeutet, aber nicht substantiell begründet.
Schmähkritik fernliegend
Da die bestrafte Äußerung spontan und mündlich im Rahmen hitziger Auseinandersetzungen gefallen sei und eine Begebenheit betroffen habe, die in den dienstlichen Bereich der Betroffenen gefallen sei, sei eine solche Einordnung auch der Sache nach fast ausgeschlossen. Sie sei zudem Ausdruck einer - wenngleich nicht vollständig gelungenen - emotionalen Verarbeitung der als unmittelbar belastend wahrgenommenen Situation. Diese Gesichtspunkte und der Umstand, dass der Beschwerdeführer in besonderer Weise staatlicher Machtentfaltung ausgesetzt gewesen sei, dürften im Rahmen der neuerlichen fachgerichtlichen Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen sein.