Linksfraktion scheitert mit CETA-Organstreitverfahren gegen Bundestag
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© Uli Deck / dpa

Das Bundesverfassungsgericht hat ein Organstreitverfahren der Linksfraktion gegen den Bundestag wegen dessen Rolle beim vorläufigen Start des europäisch-kanadischen Handelsabkommens CETA als unzulässig abgewiesen. Es sei nicht substanziiert dargelegt worden, dass Rechte der Fraktion oder des Deutschen Bundestags verletzt sein könnten, sagte BVerfG-Vizepräsidentin Doris König bei der Urteilsverkündung.

CETA-Abkommen bislang nur teilweise in Kraft

In dem Verfahren ging es noch nicht um eine Bewertung des umstrittenen Abkommens an sich. Gegen CETA sind noch verschiedene Verfassungsbeschwerden anhängig. Auch über eine zweite Klage der Linksfraktion gegen die Bundesregierung ist noch nicht entschieden. Die CETA-Gegner befürchten unter anderem, dass Umwelt- und Sozialstandards unterlaufen werden. Befürworter betonen den Wegfall von Zöllen und Handelshemmnissen und die Bedeutung für den Export. CETA ist seit dem 21.09.2017 vorläufig in Kraft, allerdings nur in den Bereichen in unstreitiger EU-Zuständigkeit. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht 2016 im Eilverfahren die deutsche Beteiligung erlaubt. Die Bundesregierung musste aber unter anderem sicherstellen, dass Deutschland im Zweifel aus dem Abkommen wieder herauskommt. Ein Stopp von CETA ist also immer noch möglich.

Linksfraktion moniert "Freibrief" für Bundesregierung

Die Linksfraktion hatte beanstandet, dass der Bundestag im September 2016 auf Antrag von CDU/CSU und SPD zu CETA nur eine Stellungnahme beschlossen hatte und kein Gesetz. Das sei für die Bundesregierung quasi ein Freibrief gewesen. Das sehen die Richterinnen und Richter des Zweiten Senats anders. Der Bundestag habe sich damals über einen längeren Zeitraum intensiv mit CETA auseinandergesetzt. Und sollte Deutschland tatsächlich zu viele Kompetenzen aus der Hand gegeben haben, könnte das nach Königs Worten auch ein Gesetz nicht heilen. Damit das Abkommen vollständig in Kraft treten kann, muss es von den Parlamenten aller EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Das ist erst zum Teil passiert. In Deutschland kann CETA erst ratifiziert werden, wenn das Bundesverfassungsgericht über alle Klagen entschieden hat.

Antrag bereits unzulässig

Die Antragstellerin leite aus Art. 23 Abs. 1 GG das Gebot eines isolierten Mandatsgesetzes ab, erläuterte das BVerfG. Das Grundgesetz kenne jedoch kein Mandatsgesetz, das eine Inanspruchnahme von Hoheitsrechten durch die Europäische Union oder andere zwischenstaatliche Einrichtungen ultra vires legitimieren könnte. Daher scheide eine Verletzung von Rechten der Antragstellerin oder des Deutschen Bundestages durch das Unterlassen eines solchen Mandatsgesetzes von vornherein aus. Das gelte auch mit Blick auf die begehrte Begleitgesetzgebung zur vorläufigen Anwendung von CETA.

Anforderungen an den Bundestag

Dass die in Rede stehende Stellungnahme des Bundestages die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Wahrnehmung der Integrationsverantwortung verfehlt hätte, habe die Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt, so die Richter weiter. Dabei komme dem Bundestag grundsätzlich ein weiter politischer Handlungsspielraum zu, der erst überschritten werde, wenn er völlig untätig bleibe, die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzureichend seien oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückblieben. Entscheidungen von erheblicher Tragweite habe grundsätzlich ein Verfahren vorauszugehen, das die Volksvertretung dazu veranlasst, Notwendigkeit und Umfang der zu beschließenden Maßnahmen in öffentlicher Debatte zu klären.

Bundestag hat Integrationsverantwortung entsprochen

Der Antragsgegner habe sich hier vor der Beschlussfassung über die Stellungnahme vom 22.09.2016 über einen längeren Zeitraum intensiv mit CETA auseinandergesetzt. Dies sei in zahlreichen Plenarsitzungen, in einer Vielzahl von Ausschusssitzungen, durch die Anhörung von Sachverständigen und durch den Austausch mit den zuständigen Akteuren Kanadas und der Europäischen Union geschehen. Die streitgegenständliche Stellungnahme, bei der es sich um eine solche im Sinne von Art. 23 Abs. 3 GG handele, enthalte erkennbar inhaltliche Vorgaben für die Mitwirkung der Bundesregierung im Rat der Europäischen Union. Sie betone, dass die vorläufige Anwendung des CETA keinesfalls in den Bereichen erfolgen dürfe, die mitgliedstaatliche Kompetenzen umfassen. Ausdrücklich adressiere sie auch den Investitionsschutz, gehe aber darüber hinaus. Sie fordere die Bundesregierung auf, durchzusetzen, dass Ausnahmen von der vorläufigen Anwendung vereinbart werden, wo dies aufgrund von Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten rechtlich geboten sei. Warum der Antragsgegner mit seiner Stellungnahme vor diesem Hintergrund seine Integrationsverantwortung verletzt haben soll, sei weder dargetan noch sonst ersichtlich, so das BVerfG abschließend.

BVerfG, Urteil vom 02.03.2021 - 2 BvE 4/16

Redaktion beck-aktuell, 2. März 2021 (ergänzt durch Material der dpa).