Rechte Kritik am "Kampf gegen Rechts"
Der Beschwerdeführer, ein selbstständiger Publizist, veröffentlichte auf seiner Internetseite einen mit "Konspiration" überschriebenen Text. Darin heißt es unter anderem: "Auch der Staat bedient sich des Mittels der Konspiration, um unerwünschte Meinungen zu bekämpfen. Da wird ganz offen zum ,Kampf gegen Rechts‘ aufgerufen, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen. So seltsam es klingen mag, aber seit 1944 ist kein einziger Jude nach Auschwitz verschleppt worden. Und seit die Alliierten keine deutschen Städte mehr bombardieren, werden Synagogen nur noch gebaut und nicht gesprengt. Der schreckliche Antisemitismus, gegen den der ,Kampf gegen Rechts‘ so entschlossen vorgeht, bezieht sich heute auf WORTE, die den Juden nach Ansicht der Meinungskontrolleure womöglich nicht gefallen."
Beschwerdeführer wegen Beihilfe zur Volksverhetzung verurteilt
Die Strafgerichte verurteilten den Beschwerdeführer unter anderem wegen Beihilfe zur Volksverhetzung zu einer Geldstrafe. Der Beschwerdeführer habe den Völkermord an den Juden geleugnet ("Auschwitzlüge"), so die Gerichte. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendete sich der Beschwerdeführer gegen die gerichtlichen Entscheidungen und rügte - unter anderem - die Verletzung seiner Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG).
BVerfG: Fachgerichte haben Sinngehalt der Äußerung nicht zutreffend erfasst
Das BVerfG hat die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Die Entscheidungen verletzten den Beschwerdeführer in seiner Meinungsfreiheit. Das BVerfG moniert, dass die Strafgerichte den Sinngehalt der Äußerung des Beschwerdeführers nicht zutreffend erfasst hätten. Diese seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Satz "So seltsam es klingen mag, aber seit 1944 ist kein einziger Jude nach Auschwitz verschleppt worden" allein dahingehend verstanden werden kann, dass im gesamten Verlauf des Jahres 1944 kein Mensch jüdischen Glaubens in das Konzentrationslager Auschwitz verschleppt worden sei. Dies sei letztlich allein damit begründet worden, dass der Beschwerdeführer den Satz mit den Worten "So seltsam es klingen mag" einleitet.
Andere mögliche Deutung der Äußerung nicht überzeugend ausgeschlossen
Laut BVerfG haben die Fachgerichte damit die ebenfalls mögliche Deutung, dass letztmalig im Jahr 1944, nämlich im November diesen Jahres, Menschen jüdischen Glaubens durch das nationalsozialistische Unrechtsregime in das Konzentrationslager Auschwitz verschleppt worden seien, schon auf Ebene des Wortlauts nicht mit überzeugenden Gründe ausgeschlossen. Der schriftlichen Äußerung des Beschwerdeführers könnten bei isolierter Betrachtung des Wortlauts beide Bedeutungen zugemessen werden, da "1944" keinen bestimmten Zeitpunkt, sondern einen Zeitraum bezeichnet. Die Satzeinleitung "So seltsam es klingen mag" biete für sich keine tragfähige Grundlage, der Äußerung des Beschwerdeführers den durch die Fachgerichte zugrunde gelegten Bedeutungsgehalt beizumessen.
Kontext nicht berücksichtigt
Eine überzeugende Erfassung der Aussage des Beschwerdeführers hätte den Kontext berücksichtigen müssen, so das BVerfG. Die Strafgerichte hätten sich jedenfalls damit auseinandersetzen müssen, aus welchem Grund der Äußerung des Beschwerdeführers bei verständiger Würdigung gerade der zu seiner Verurteilung führende Bedeutungsgehalt zukomme. Allein die Anknüpfung an die aus dem Gesamttext ersichtliche politische Haltung des Beschwerdeführers rechtfertige eine solche Interpretation jedenfalls nicht.
Abwägung mit Meinungsfreiheit fehlt
Obwohl die den Gegenstand der Verurteilung bildende schriftliche Äußerung des Beschwerdeführers ersichtlich mit Meinungsäußerungen verbunden sei, fehle im LG-Urteil jede Auseinandersetzung mit der Frage, welche Bedeutung dem Grundrecht für die zu treffende Entscheidung zukomme, rügt das BVerfG weiter. Das LG habe die Reichweite des Grundrechts im konkreten Fall nicht etwa nur unrichtig bestimmt, es habe das Grundrecht der Meinungsfreiheit bei seiner Entscheidung nicht beachtet. Diese Abwägung sei im Rahmen einer Neuentscheidung nachzuholen.