BVerfG lehnt Eilantrag der AfD gegen Interview-Äußerungen des Bundesinnenministers ab

Die AfD ist mit ihrem Eilantrag gegen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gescheitert, ihm die Äußerung aus einem Interview, das Verhalten der AfD sei staatszersetzend, zu verbieten. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 09.11.2018 entschieden. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass Seehofer die Äußerungen wiederholen wird (Az.: 2 BvQ 90/18). 

Bundesinnenminister kritisierte AfD in Interview als staatszersetzend

Am 14.09.2018 veröffentlichte das Bundesinnenministerium auf seiner Internetseite ein Interview von Minister Horst Seehofer (CSU) mit der Deutschen Presse-Agentur. In dem Interview äußerte sich Seehofer wie folgt über die Antragstellerinnen: "Die stellen sich gegen diesen Staat. Da können sie 1000 Mal sagen, sie sind Demokraten. Das haben sie am Dienstag im Bundestag miterleben können mit dem Frontalangriff auf den Bundespräsidenten. Das ist für unseren Staat hochgefährlich. Das muss man scharf verurteilen. Ich kann mich nicht im Bundestag hinstellen und wie auf dem Jahrmarkt den Bundespräsidenten abkanzeln. Das ist staatszersetzend." Das Interview kann seit dem 01.10.2018 nicht mehr von der Homepage abgerufen werden. Die AfD und deren Bundestagsfraktion wollten per Eilantrag erreichen, dass dem Antragsgegner bis auf Weiteres untersagt wird, als Bundesminister die besagten Äußerungen zu tätigen.

BVerfG: AfD-Fraktion kann Organklage nicht auf Chancengleichheit der Parteien stützen

Das BVerfG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Hinsichtlich der AfD-Bundestagsfraktion scheide der Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits deshalb aus, weil ein auf der Grundlage ihres Vorbringens in der Hauptsache gestellter Antrag mangels Antragsbefugnis unzulässig wäre. Parlamentsfraktionen seien zwar als notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens im Organstreit befugt, eigene, in der Verfassung verankerte Rechte und  die Verletzung oder unmittelbare Gefährdung von Rechten des gesamten Parlaments geltend zu machen. Als im Organstreit verfolgbare eigene Rechte von Fraktionen kämen aber nur solche im innerparlamentarischen Raum in Betracht. Das Recht auf Chancengleichheit im Wettbewerb der politischen Parteien aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG, auf das die Fraktion sich in ihrem Antrag berufen habe, könne sie deshalb im Organstreit weder als eigenes Recht gegenüber dem Antragsgegner verfolgen, noch stehe es dem Bundestag in seiner Gesamtheit zu.

Interview bereits von Ministeriumshomepage entfernt

Soweit das Begehren der AfD darauf gerichtet sei, dem Antragsgegner aufzugeben, sein Interview von der Homepage des Ministeriums zu entfernen, fehle das Rechtsschutzbedürfnis für eine einstweilige Anordnung, so das BVerfG weiter. Denn diesem Begehren sei bereits Rechnung getragen worden. Das Interview könne seit dem 01.10.2018 von der Homepage des Bundesinnenministeriums nicht mehr abgerufen werden. Eine einstweilige Anordnung, die dem Antragsgegner aufgeben würde, das Interview von der Homepage zu entfernen, ginge somit ins Leere.

Keine Anhaltspunkte für Absicht einer Wiederholung der Äußerungen

Auch soweit die AfD erreichen wollte, dass dem Bundesinnenminister verboten wird, die Äußerungen aus dem Interview vom 14.09.2018 zu wiederholen, war ihr kein Erfolg beschieden. Das BVerfG weist darauf hin, dass vorbeugender vorläufiger Rechtsschutz im Grundgesetz und im Bundesverfassungsgerichtsgesetz grundsätzlich nicht vorgesehen seien. Auf der Grundlage des Vorbringens der Antragstellerinnen sei auch nicht ersichtlich, dass die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung erfordert. Es fehle bereits an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass der Antragsgegner beabsichtigt, die angegriffenen Äußerungen unter Rückgriff auf die Autorität seines Regierungsamtes zu wiederholen.

Entfernung von Homepage keine taktische Maßnahme

Von einer Wiederholung könne angesichts der Löschung dieser Äußerungen auf der Homepage des Ministeriums nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Die Antragstellerinnen hätten zwar vorgetragen, dass das Interview nur entfernt worden sei, damit der Antragsgegner die angegriffenen Äußerungen auf allen anderen, noch nicht verbotenen Kanälen umso öfter wiederholen könne. Dabei handele es sich aber um eine bloße Mutmaßung, die mit keinerlei Tatsachen unterlegt sei. Auch aus dem Umstand, dass das Ministerium die Interview-Aussagen und deren vorübergehende Veröffentlichung auf der Homepage als mit dem Neutralitätsgebot vereinbar ansehe, ergebe sich nichts anderes. Insoweit handele es sich lediglich um die Betonung eines Rechtsstandpunktes vor dem Hintergrund eines möglichen Hauptsacheverfahrens. Daraus könne nicht abgeleitet werden, dass der Antragsgegner seine angegriffenen Aussagen unter Einsatz der Autorität seines Regierungsamtes zu wiederholen gedenkt, ohne die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

BVerfG, Beschluss vom 09.11.2018 - 2 BvQ 90/18

Redaktion beck-aktuell, 9. November 2018.

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