Qualifizierte Kompetenzüberschreitung möglich
Wie das Gericht betonte, erscheine es zum derzeitigen Verfahrensstand zumindest möglich, dass die erhobene Ultra-vires-Rüge Erfolg haben werde. Der Beschluss des Rates der Europäischen Union über den Abschluss des EUSFTA könnte sich im Hauptsachverfahren als qualifizierte Kompetenzüberschreitung herausstellen und die durch Art. 79 Abs.3 GG geschützte Verfassungsidentität des GG berühren.
Antrag auf Aussetzung der Beschlussfassung im Rat fehlt
Eine Sicherung der Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG könne im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich dadurch erfolgen, dass der Bundesregierung eine Zustimmung im Rat bis zur Entscheidung über die Hauptsache untersagt werde. Die Antragsteller hätten indes ausdrücklich keinen entsprechenden Antrag gestellt. Sie hätten vielmehr betont, dass es nicht ihr Ziel sei, eine Aussetzung der Beschlussfassung im Rat der Europäischen Union zu erreichen und dass sie auch das Inkrafttreten von EUSFTA nicht verhindern wollten. Sie hätten lediglich Maßnahmen beantragt, die aus ihrer Sicht sicherstellen sollen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland bei einem Erfolg ihrer Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache von dem sie bindenden Freihandelsabkommen EUSFTA lösen könne.
Begehrte Sicherungsmaßnahmen nicht geeignet
Die von den Antragstellern begehrten Sicherungsmaßnahmen seien jedoch nicht geeignet, ihren Anspruch auf Wahrnehmung der Integrationsverantwortung durch Bundesregierung und Bundestag zu sichern. Da es sich bei dem Freihandelsabkommen EUSFTA – anders als beim Freihandelsabkommen CETA – um einen als "EU-only"-Abkommen konzipierten Vertrag handele, der keiner Ratifikation durch die Mitgliedstaaten bedürfe und in dem die Bundesrepublik Deutschland selbst nicht Vertragspartei sei, sei sie rechtlich auch nicht in der Lage, die zur Einlösung der Integrationsverantwortung von Bundesregierung und Bundestag nach einem möglichen Erfolg der Verfassungsbeschwerde erforderlichen Vorkehrungen einseitig sicherzustellen.
Einseitige Erklärungen würden an Gültigkeit und Bindungswirkung des Beschlusses nichts ändern
Soweit die Bundesregierung verpflichtet werden solle, bei ihrer Zustimmung Vorbehalte hinsichtlich der Klärung der Kompetenzabgrenzung zwischen Mitgliedstaaten und Europäischer Union in den Bereichen Schifffahrt, Nachhaltigkeit und Änderungsbefugnisse der Vertragsgremien anzubringen, handele es sich um eine ungeeignete Vorkehrung, weil dies in den Verträgen nicht vorgesehen sei und etwaige einseitige Erklärungen an der Gültigkeit und Bindungswirkung des Beschlusses nichts ändern könnten. Soweit die Antragsteller die Bundesregierung verpflichten wollen, eine Selbstverpflichtung des Rates der Europäischen Union dahingehend zu erreichen, dass für die Dauer des Hauptsacheverfahrens beim BVerfG kein Beschluss nach Art. 218 Abs. 9 AEUV über Entwürfe für Beschlüsse von Vertragsgremien mit Rechtsetzungswirkung herbeigeführt werde, sei die Vorkehrung unter anderem deshalb ungeeignet, weil die Bundesregierung eine solche Verpflichtung des Rates angesichts von Art. 218 Abs. 8 AEUV jedenfalls rechtlich nicht einseitig herbeiführen könne.
Verpflichtung zu bindenden Erklärungen nicht möglich
Soweit die Bundesregierung schließlich verpflichtet werden soll, eine bindende Erklärung durch den Rat der Europäischen Union und die Europäische Kommission herbeizuführen, dass der Bundesrepublik Deutschland ein Ausscheiden aus dem EUSFTA ermögliche und eine Kündigung des EUSFTA durch die Europäische Union erfolgen werde, wäre auch dies nicht geeignet, das Recht der Antragsteller auf Demokratie zu sichern. Denn auch insoweit gelte, dass die Bundesregierung das Zustandekommen eines Beschlusses im Rat möglicherweise verhindern, den Rat der Europäischen Union und die Europäische Kommission jedoch nicht zu bindenden Erklärungen verpflichten könne. Das gelte für eine künftige etwaige Kündigung des Abkommens.