Kündigung wegen menschenverachtender Äußerung "Ugah, Ugah!"
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Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde zu einer arbeitsrechtlichen Kündigung wegen einer menschenverachtender Äußerung nicht zur Entscheidung angenommen. Sie sei bereits unzulässig, so die Verfassungsrichter, die aber gleichwohl erläuterten, dass die Beschwerde auch nicht begründet gewesen wäre. Der Beschwerdeführer hatte während einer Betriebsratssitzung einen dunkelhäutigen Kollegen mit den Worten "Ugah, Ugah!“ bedacht.

Gerichte ließen Kündigung unbeanstandet

Der Beschwerdeführer war Betriebsratsmitglied. Im Rahmen einer Auseinandersetzung während einer Betriebsratssitzung über den Umgang mit einem EDV-System betitelte er einen dunkelhäutigen Kollegen mit den Worten "Ugah, Ugah!“, der ihn wiederum als "Stricher“ bezeichnete. Auch aufgrund dieses Vorfalls erhielt der Beschwerdeführer die außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Die Gerichte für Arbeitssachen erachteten diese nach umfänglicher Beweisaufnahme auch aufgrund einer einschlägigen vorhergehenden Abmahnung, die aber nicht zu einer Änderung seines Verhaltens geführt hatte, als rechtmäßig.

Beschwerdeführer sieht sein Recht auf Meinungsfreiheit nicht beachtet

Der Beschwerdeführer rügte mit seiner Verfassungsbeschwerde unter anderem, dass die Gerichte sein Recht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG verletzten, indem sie die Kündigung für rechtmäßig erachteten. Sie hätten seine Grundrechte gegenüber dem Kündigungsinteresse der Arbeitgeberin nicht abgewogen. Man dürfe ihm keine rassistische Einstellung vorwerfen.

BVerfG nimmt Beschwerde wegen Unzulässigkeit nicht an

Die Verfassungsbeschwerde ist mangels hinreichender Begründung unzulässig. Sie wäre aber auch unbegründet, heißt es im Beschluss weiter. Denn die angegriffenen Entscheidungen der Arbeitsgerichte hätten die Wertungen, die sich aus Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit) sowie aus Art. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (Diskriminierungsverbot) ergeben, nicht verkannt und verletzten den Beschwerdeführer auch nicht in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG, so die Verfassungsrichter.

Einschränkung der Meinungsfreiheit gerechtfertigt

So sei die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die arbeitsgerichtliche Bestätigung der Kündigung verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Karlsruher Richter stellten in diesem Zusammenhang klar, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit zwar eine Abwägung zwischen drohenden Beeinträchtigungen der persönlichen Ehre und der Meinungsfreiheit erfordere. Die Meinungsfreiheit trete aber jedenfalls zurück, wenn herabsetzende Äußerungen die Menschenwürde antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Zutreffend sei die konkrete Situation als maßgeblich angesehen worden, in der ein Mensch mit dunkler Hautfarbe direkt mit nachgeahmten Affenlauten adressiert wurde. Der Schluss, dass aufgrund der Verbindung zu einem nach § 1 AGG verpönten Merkmal nicht nur eine derbe Beleidigung vorliege, sondern die Äußerung fundamental herabwürdigend sei, sei auch im Licht von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, der sich gegen rassistische Diskriminierung wendet, nicht zu beanstanden.

Bezug auf Unantastbarkeit der Menschenwürde und Diskriminierungsverbot

Das haben die Arbeitsgerichte laut BVerfG hier in Anwendung des Kündigungsschutzrechts nicht verkannt, so die Verfassungsrichter weiter. Sie haben sich hierbei auf §§ 104, 75 Abs. 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) und §§ 1, 7, 12 AGG gestützt, in denen die verfassungsrechtlichen Wertungen der Unantastbarkeit der Menschenwürde und des Diskriminierungsverbots ihren Niederschlag finden. Die Arbeitsgerichte haben laut Verfassungsgericht ausführlich begründet, dass und warum es sich um menschenverachtende Diskriminierung handelt. Danach werde die Menschenwürde angetastet, wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert wird, und damit das in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ausdrücklich normierte Recht auf Anerkennung als Gleiche unabhängig von der "Rasse“ verletzt wird. Diese Wertung sei ebenso wie die im Rahmen der fristlosen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB geforderte Gesamtwürdigung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

BVerfG, Beschluss vom 02.11.2020 - 1 BvR 2727/19

Redaktion beck-aktuell, 24. November 2020.