Kläger gegen Wahlrechtsänderung von 2020 beantragten Verfahrensruhe
Zahlreiche Mitglieder der Bundestagsfraktionen der Grünen, der Linken und der FDP wendeten sich im Wege eines Normenkotrollverfahrens gegen die Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 14.11.2020. Sie machten geltend, die angegriffenen Normen seien mit Art. 20 Abs. 3, Art. 20 Abs. 1 und 2 sowie Art. 38 Abs. 1 Satz 1 und Art. 21 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig. Da der Deutsche Bundestag am 17.03.2023 eine weitere Änderung des Bundeswahlgesetzes beschloss, die auch eine Neuregelung der verfahrensgegenständlichen Normen umfasst, beantragten sie, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Es bestünde zurzeit kein Interesse daran, das Normenkontrollverfahren weiter zu verfolgen, weil durch die geplante Änderung des Bundeswahlrechts die angegriffenen Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes gegenstandslos würden.
BVerfG sieht öffentliches Interesse an Fortführung des Verfahrens
Das Bundesverfassungsgericht hat den Antrag abgelehnt, weil ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Verfahrens bestehe. Wahlrechtsnormen entfalteten so lange Rechtswirkung, wie das auf ihrer Grundlage gewählte Parlament – hier der 20. Deutsche Bundestag - Bestand habe. Legitimations- und Integrationsfunktion der Wahl begründeten ein erhebliches Interesse an der Feststellung, ob die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf verfassungsmäßiger Grundlage gewählt worden seien. Hinzu komme, dass der Bundestag beschlossen habe, die Bundestagswahl im Land Berlin teilweise zu wiederholen. Dieser Beschluss sei Gegenstand mehrerer Wahlprüfungsbeschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht. Gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 BWahlG finde die Wiederholungswahl nach denselben Vorschriften wie die Hauptwahl statt. Auch insoweit bestehe daher ein erhebliches öffentliches Interesse an der Feststellung, ob diese Normen verfassungskonform seien.
Verfahren ist zudem schon zu weit fortgeschritten
Etwas anderes folge nicht daraus, dass beim Bundesverfassungsgericht weitere Verfahren anhängig seien, die die Frage der Verfassungsmäßigkeit der verfahrensgegenständlichen Normen des Bundeswahlgesetzes betreffen. Zwar könnten in einem solchen Fall Gründe des öffentlichen Interesses für die Fortführung einer abstrakten Normenkontrolle fehlen. Dies sei jedoch schon mit Blick auf das fortgeschrittene Stadium des vorliegenden Verfahrens nicht der Fall. Insbesondere angesichts der bereits für den 18.04.2023 anberaumten mündlichen Verhandlung biete dieses die Gelegenheit zur zeitnahen Behandlung und Entscheidung der verfassungsrechtlichen Fragen, an deren Klärung das dargelegte öffentliche Interesse besteht.