Kein Anspruch auf Verzinsung zu Unrecht entrichteter Kernbrennstoffsteuer
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Eine Kernkraftwerksbetreiberin, die eine Verzinsung des ihr nach der Nichtigerklärung der Kernbrennstoffsteuer zurückerstatteten Betrages erreichen wollte, ist mit ihrer Verfassungsbeschwerde gescheitert. Laut Bundesverfassungsgericht folgt ein solcher Zinsanspruch weder unmittelbar aus dem Grundgesetz, noch sei der Gesetzgeber – angesichts rascher Rückerstattung und Niedrigzinsen im betreffenden Zeitraum – verpflichtet gewesen, einen solchen zu regeln.

Beschwerdeführerin verlangte Verzinsung zurückerstatteter Kernbrennstoffsteuer

Die Beschwerdeführerin, eine Kernkraftwerksbetreiberin, erhielt von ihr gezahlte Kernbrennstoffsteuer (54.725.320 Euro) zurückerstattet, nachdem das BVerfG das Kernbrennstoffsteuergesetz 2017 mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes für verfassungswidrig und nichtig erklärt hatte. Sie beantragte anschließend eine Verzinsung des Betrages in Höhe von je 0,5 % Zinsen für die zehn Monate zwischen der Entrichtung der Steuer und dem Eingang der Erstattung (= 2.736.265 Euro). Das Hauptzollamt lehnte die beantragte Festsetzung von Zinsen ab, da der Gesetzgeber einen solchen Zinsanspruch in der Abgabenordnung nicht vorgesehen habe. Alle hiergegen eingelegten Rechtsmittel blieben erfolglos. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügte die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 14 Abs. 1 GG sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG, jeweils in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG. Allein durch Rückzahlung der Steuer sei die durch Erhebung der verfassungswidrigen Kernbrennstoffsteuer erfolgte Grundrechtsverletzung nicht behoben worden. Vielmehr sei zur vollständigen Kompensation des Eingriffs eine Verzinsung verfassungsrechtlich geboten.

Kein Anspruch unmittelbar aus dem Grundgesetz

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen. Zum Einen folge der Zinsanspruch nicht unmittelbar aus dem Grundgesetz. Die Grundrechte gewährleisteten zwar das grundsätzliche Bestehen angemessener Sekundäransprüche in Form von Kompensationsansprüchen nach Grundrechtsverletzungen, sei es als Schadensersatz-, sei es als Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche. Daraus folge jedoch kein spezifischer verfassungsunmittelbarer Sekundäranspruch, wie er als Zinsanspruch im Ausgangsverfahren geltend gemacht worden sei. Art und Umfang grundrechtlicher Sekundäransprüche bedürften vielmehr der Ausgestaltung und Konkretisierung durch den Gesetzgeber, dem insofern ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukomme. Auch aus Art. 19 Abs. 4 GG ergäben sich keine verfassungsunmittelbaren Ersatzansprüche. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleiste selbst weder den sachlichen Bestand noch den Inhalt materiell geschützter Rechtspositionen, sondern setze diese vielmehr voraus. Schließlich stehe die Verneinung einer verfassungsrechtlichen Pflicht zur umfassenden Kompensation sämtlicher - auch nur mittelbar mit einer Grundrechtsverletzung zusammenhängender - Vermögensnachteile auch mit den Wertungen von Art. 41 EMRK und Rechtsprechung des EGMR in Einklang.

Gesetzgeberische Entscheidung gegen Zinsanspruch nicht zu beanstanden

Zum Anderen sei die gesetzgeberische Entscheidung, den geltend gemachten Zinsanspruch in der Abgabenordnung nicht vorzusehen, nicht verfassungswidrig. Die Grundsätze des grundrechtlichen Kompensationsanspruchs sähen jedenfalls bei niedrigen Marktzinsen und niedriger Inflation sowie bei Erstattungen binnen weniger Jahre keine über die Rückzahlung des geleisteten Steuerbetrags hinausgehende Kompensation vor, da in solchen Fällen grundsätzlich keine verfassungsrechtlich erhebliche Beeinträchtigung von Grundrechten verbleibe, die zu kompensieren wäre. Im zu entscheidenden Fall sei die zu Unrecht gezahlte Kernbrennstoffsteuer der Beschwerdeführerin binnen eines angemessen kurzen Zeitraums von nur zehn Monaten erstattet worden und das Zinsumfeld von Niedrigzinsen geprägt gewesen. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers habe sich daher nicht zu einer Verpflichtung verdichtet, die Steuererstattungsansprüche zu verzinsen. 

Auch kein Verstoß gegen allgemeinen Gleichheitssatz 

Die fehlende Anordnung einer generellen Verzinsung der Kernbrennstoffsteuererstattung verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Ungleichbehandlung von Steuererstattungen infolge einer Nichtigerklärung eines verfassungswidrigen Gesetzes und solchen infolge einer "bloßen" Unvereinbarkeitserklärung sei verfassungsrechtlich nicht geboten, da erstere nicht an einen besonders schwerwiegenden und offensichtlichen Rechtsverstoß anknüpfe und letztere keinen "Verfassungsverstoß minderer Art" kennzeichne. Art. 3 Abs. 1 GG verlange vom Gesetzgeber auch nicht, Steuererstattungsgläubigern, die ohne Prozessrisiko in den Genuss einer Erstattung nach § 37 Abs. 2 AO kommen, Prozesszinsen zuzugestehen. 

BVerfG, Beschluss vom 30.06.2022 - 2 BvR 737/20

Miriam Montag, 29. Juli 2022.