Nächtliche Ausgangsbeschränkungen bereits zuvor bestätigt
Mit den heutigen Beschlüssen haben die Kammern des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mehrere Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG (Kontaktbeschränkungen), § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 IfSG (Einzelhandelsbeschränkungen), § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 IfSG (Untersagung kultureller Einrichtungen) sowie gegen § 28b Abs. 3 IfSG (Schulschließungen) richteten. Vor gut zwei Wochen hatten die Richter schon – ebenfalls im Eilverfahren – vorerst grünes Licht für die stark umstrittenen nächtlichen Ausgangsbeschränkungen gegeben.
Maßnahmen von Sieben-Tage-Inzidenz abhängig
Die bundesweit verbindlichen Regeln der Notbremse mit schärferen Corona-Maßnahmen waren am 23.04.2021 in Kraft getreten. Sie gelten für Regionen, in denen die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz über mehrere Tage den Wert von 100 überschreitet. Das sind aber zunehmend weniger Kreise, denn seit Tagen sinkt die Inzidenz, bundesweit lag sie am Donnerstag nach Angaben des Robert Koch-Instituts bei nur noch 68,0 (Vorwoche: 103,6). In den meisten der 412 erfassten Kreise und kreisfreien Städte ist der Wert inzwischen unter die 100er-Marke gerutscht. Angesichts aber zuvor steigender Werte hatte die Politik mit den deutschlandweit einheitlichen Regelungen einen Flickenteppich in den Bundesländern verhindern und die Ausbreitung des Coronavirus besser in den Griff kriegen wollen. So galten in den von der Notbremse betroffenen Gebieten unter anderem Ausgangsbeschränkungen zwischen 22.00 Uhr und 5.00 Uhr – der wohl umstrittenste Punkt.
Alle drei Eilanträge zurückgewiesen
In Bezug auf die Kontaktbeschränkungen und die Einzelhandelsbeschränkungen nahmen die Richter jeweils eine Folgenabwägung vor. Solange die vom Gesetzgeber geregelte Inzidenzschwelle überschritten sei, überwögen die Nachteile der verbleibenden Kontaktbeschränkungen nicht gegenüber den Nachteilen für einen wirksamen Infektionsschutz, wenn die Regelung in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG trotz der Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 ausgesetzt würde. Gleiches gelte auch für die Einzelhandelsbeschränkungen. Auch der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung des Verbots der Durchführung von Präsenzunterricht bleibe ohne Erfolg. Das BVerfG könne derartige einstweilige Anordnungen nur dann treffen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten sei. Ein besonders strenger Maßstab gelte, wenn - wie hier - der Vollzug eines Gesetzes ausgesetzt werden solle. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung komme danach schon dann nicht in Betracht, wenn aktuell kein dringender Bedarf zur Abwehr von Nachteilen (mehr) bestehe. Das sei hier der Fall. Bei der derzeitigen Infektionslage in dem Landkreis, in dem sich die vom Antragsteller besuchte Grundschule befindet, sei nicht ersichtlich, dass eine Untersagung der Durchführung von Präsenzunterricht unmittelbar bevorstehen könnte. Auf eine Folgenabwägung komme es daher in diesem Punkt nicht mehr an.
Verfassungsbeschwerde bereits unzulässig
Die Verfassungsbeschwerde, die sich gegen die Untersagung der Öffnung kultureller Einrichtungen richtete, ist laut BVerfG mangels ausreichenden Vortrags unzulässig. Insbesondere sei nicht dargelegt, dass die Beschränkungen künstlerischer Veranstaltungen bei anhaltend hohen Infektionszahlen nicht erforderlich wären. Die Verfassungsbeschwerde setze sich zudem mit der bislang zur Untersagung der Öffnung von Kultureinrichtungen sowie entsprechender Veranstaltungen ergangenen fachgerichtlichen Rechtsprechung nicht ausreichend auseinander. Die Beschwerdeführenden hätten zudem ebenso wenig dargelegt, dass die angegriffene Vorschrift gleichheitswidrig wäre. Eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende willkürliche Ungleichbehandlung der Beschwerdeführenden gegenüber der Durchführung von Gottesdiensten werde nicht substantiiert aufgezeigt.
400 Verfahren zu verschärften IfSG beim BVerfG eingegangen
Gegen das verschärfte Infektionsschutzgesetz sind beim BVerfG mittlerweile rund 400 Verfahren eingegangen. Manche richten sich gegen das gesamte Maßnahmenpaket, andere gegen einzelne Punkte. Unter den Klägern sind Anwälte, aber auch Politiker verschiedener Parteien etwa aus dem Bundestag.