"Kampf ums Recht": Bezeichnung als "fetter Anwalt" kann zulässig sein
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Eine Anwältin bezeichnet einen Kollegen als "fetter Anwalt" und "Rumpelstilzchen". Dies kann im Kontext einer rechtlichen Auseinandersetzung erlaubt sein. Im "Kampf ums Recht" könnten auch "besonders starke und eindringliche Ausdrücke" zulässig sein, so das BVerfG.

Die Anwältin war in einem familiengerichtlichen Verfahren als Verfahrensbeistand aufgetreten. Über die Inhalte einer nichtöffentlichen Sitzung des Gerichts hatte sie auf ihrer Internetseite berichtet – und dabei den anderen Rechtsanwalt mit den obigen Ausdrücken betitelt. Auf dessen Klage hin wurde sie zur Unterlassung verurteilt. Gegen die Urteile des AG und LG Dresden richtet sich ihre Verfassungsbeschwerde. Das BVerfG gibt der Anwältin insoweit Recht, als die Fachgerichte es unterlassen hätten, die umstrittenen Äußerungen in dem Kontext zu erfassen, in dem sie getätigt wurden, und die Begleitumstände zu berücksichtigen. Allein vom Wortlaut auszugehen, genüge bei Meinungsäußerungen nicht.

Unzureichend sei es auch, wenn das AG eine Beleidigung nach § 185 StGB allein darauf stütze, die Bezeichnungen "fetter Anwalt" und "Rumpelstilzchen" seien ein Werturteil mit ehrverletzendem Charakter, und das LG ausführt, das Verhalten der Anwältin verletze den Kollegen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Ausgangsgerichte ließen jede Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Interessen vermissen. Die sei aber nur ausnahmsweise entbehrlich – nämlich wenn sich eine Äußerung als Schmähung oder Schmähkritik, als Angriff auf die Menschenwürde oder als Formalbeleidigung darstellt.

Aus dem Blick verloren hätten die Ausgangsgerichte zudem, dass die untersagten Äußerungen im Kontext eines gerichtlichen Verfahrens gefallen sind, in dem die Anwältin als Verfahrensbeistand bestellt worden war. Im Kontext rechtlicher Auseinandersetzungen sei es grundsätzlich erlaubt, auch besonders starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen, um Rechtspositionen und Anliegen zu unterstreichen.

Beschwerde scheitert aber schon an Zulässigkeit

Erfolg hatte die Verfassungsbeschwerde aber dennoch nicht – das BVerfG nahm sie bereits nicht zur Entscheidung an (Beschluss vom 24.11.2023 – 1 BvR 1962/23). Die Anwältin habe den Grundsatz der Subsidiarität missachtet. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sei der Rechtsweg zwar erschöpft gewesen. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität im materiellen Sinne sei aber auch die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache geboten, wenn der verfassungsrechtlichen Beschwer dort abgeholfen werden könnte. Hiervon sei auszugehen, wenn – wie hier – Grundrechtsverletzungen gerügt würden, die sich auf die Hauptsache beziehen.

BVerfG, Beschluss vom 24.11.2023 - 1 BvR 1962/23

Redaktion beck-aktuell, bw, 22. Januar 2024.