G20-Protestcamp im Hamburger Stadtpark geplant
Der Antragsteller ist Anmelder und vorgesehener Leiter einer als Protestcamp geplanten Veranstaltung, die vom 30.06. bis zum 09.07.2017 unter dem Motto "Alternativen zum Kapitalismus leben und sichtbar machen" auf der großen Festwiese des Hamburger Stadtparks stattfinden soll. Es werden etwa 10.000 Personen aus aller Welt erwartet, die in 3.000 Zelten wohnen und übernachten sollen. Während seiner Dauer soll das Camp einen durchgängig bei Tag und bei Nacht wahrnehmbaren Ort des Protestes gegen das am 07. und 08.07.2017 in Hamburg stattfindende Zusammentreffen der Staats- und Regierungschefs der Gruppe der 20 größten Industrie- und Schwellenländer (G20-Gipfel) darstellen.
Stadt verbot Protestcamp
Die Freie und Hansestadt Hamburg ordnete das geplante Protestcamp nicht als Versammlung ein und untersagte die Veranstaltung unter Verweis auf ein grünanlagenrechtliches Verbot, auf öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen zu zelten. Das dagegen angerufene Verwaltungsgericht verpflichtete die Stadt dazu, den Aufbau des Protestcamps bis zur Bekanntgabe eines versammlungsrechtlichen Bescheids zu dulden.
OVG: Protestcamp keine grundrechtlich geschützte Versammlung
Auf die Beschwerde der Stadt lehnte das Oberverwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers mit der Begründung ab, das Protestcamp habe nicht den Charakter einer von Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Versammlung. Der Antragsteller beantragte anschließend beim BVerfG den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Er verfolgte damit sein Anliegen weiter, die Stadt Hamburg zu verpflichten, die Vorbereitung, den Aufbau und die Durchführung des Protestcamps zu dulden.
BVerfG startet Folgenabwägung
Das BVerfG hat dem Eilantrag nach Vornahme einer Folgenabwägung zum Teil stattgegeben. Ob oder wieweit das Protestcamp als Versammlung von Art. 8 Abs. 1 GG geschützt sei, könne im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht geklärt werden. Erginge eine einstweilige Anordnung nicht, stellte sich im Hauptsacheverfahren dann aber heraus, dass zumindest Teile des Protestcamps unter den Schutz der Versammlungsfreiheit fielen und damit jedenfalls grundsätzlich zulässig wären, bliebe es dem Antragsteller beim derzeitigen Sachstand vollständig verwehrt, im Rahmen des bevorstehenden G 20-Gipfels von seinem Versammlungsgrundrecht durch Veranstaltung eines Protestcamps Gebrauch zu machen. Damit würde sein Versammlungsrecht bei einem besonders herausragenden politischen Großereignis nachhaltig entwertet. Erginge demgegenüber eine einstweilige Anordnung, stellte sich dann aber im Hauptsacheverfahren heraus, dass das geplante Protestcamp nicht unter den Schutz der Versammlungsfreiheit fiele, so würde nicht nur die Öffentlichkeit für rund drei Wochen unberechtigt um ein Erholungsgebiet gebracht, sondern es würde der öffentlichen Hand ohne Grund auch das Risiko aufgebürdet, dass die Parkanlage nachhaltig Schaden nimmt.
Protestcamp vorsorglich den Regeln des Versammlungsrechts zu unterstellen
Laut BVerfG ist in Anbetracht dieser Nachteile ein Ausgleich geboten, der einerseits dem Antragsteller die Veranstaltung des Protestcamps möglichst weitgehend ermöglicht, anderseits aber nachhaltige Schäden des Stadtparks verhindert und die diesbezüglichen Risiken für die öffentliche Hand möglichst gering hält. Daher müsse die Versammlungsbehörde das geplante Protestcamp vorsorglich den Regeln des Versammlungsrechts unterstellen.
Protestcamp kann mit Auflagen versehen werden
Dabei sei sie jedoch mit einem angemessenen Entscheidungsspielraum auszustatten, der sie - soweit möglich in Kooperation mit dem Veranstalter - berechtige, den Umfang des Camps so zu begrenzen und mit Auflagen zu versehen, dass eine nachhaltige Beeinträchtigung des Stadtparks durch langfristige Schäden hinreichend ausgeschlossen ist. Sei dies in einer dem Anliegen des Antragstellers entsprechenden Weise nicht möglich, wie nach den Akten durchaus naheliegend sei und wie sich im Übrigen insbesondere im Blick auf (hier noch nicht berücksichtigte) Sicherheitsbelange ergeben könne, könne sie ihm stattdessen auch einen anderen Ort für die Durchführung des geplanten Protestcamps zuweisen, der mit Blick auf die erstrebte Wirkung dem Anliegen des Antragstellers möglichst nahe komme. Auch insoweit sei sie zum Erlass von Auflagen befugt, die eine Schädigung der Anlagen des zugewiesenen Ersatzortes möglichst weitgehend verhindern, soweit erforderlich auch unter Beschränkung des Umfangs des geplanten Protestcamps.
Infrastruktur ohne Bezug auf Akte der Meinungskundgabe kann verboten werden
Dabei könne auch berücksichtigt werden, in welchem Umfang die Maßnahmen notwendige Infrastruktur zu eigenständigen Versammlungselementen darstellten und wieweit sie darüber hinausgingen. Insbesondere seien die Behörden berechtigt, die Errichtung von solchen Zelten und Einrichtungen zu untersagen, die ohne Bezug auf Akte der Meinungskundgabe allein der Beherbergung von Personen dienen sollen, die anderweitig an Versammlungen teilnehmen wollen.
Verbot des Protestcamps unter sicherheitsrelevanten Aspekten bleibt möglich
Das BVerfG weist darauf hin, dass der vorliegende Beschluss auf den rechtlichen Verfahrensgegenstand des Ausgangsverfahrens beschränkt sei. Daher blieben Fragestellungen hinsichtlich möglicher von der geplanten Veranstaltung ausgehender Gefahren ausgeklammert. Diesbezügliche weitere Entscheidungen, insbesondere zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, blieben den Behörden - unter Beachtung der allgemeinen verfassungsrechtlichen Maßstäbe - unbenommen. Ob und wieweit sie das Protestcamp unter diesen Gesichtspunkten weiter beschränken oder auch untersagen können, sei nicht Gegenstand dieser Entscheidung.