Gesetzlicher Richter: Verfassungsbeschwerde gegen Cum-Ex-Verurteilung gescheitert
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Ein Ex-Mitarbeiter der Privatbank M.M. Warburg, der in einem Cum-Ex-Prozess zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, ist mit seiner Verfassungsbeschwerde gescheitert. Er hatte gerügt, dass zwei Richter in seinem Verfahren zuvor an einem Cum-Ex-Strafurteil gegen zwei Börsenhändler beteiligt waren, und sich die Urteilsgründe auch zu seiner Rolle als Haupttäter verhielten. Das Recht auf Entscheidung durch den gesetzlichen Richter sei aber nicht verletzt worden, so das Bundesverfassungsgericht.

Zwei Richter in Cum-Ex-Strafprozess waren vorbefasst

Das Landgericht Bonn verurteilte im März 2020 im ersten Cum-Ex-Strafprozess zwei britische Börsenhändler wegen Beihilfe zu mehreren Steuerstraftaten zu Gesamtfreiheitsstrafen. Die schriftlichen Urteilsgründe enthielten auch Ausführungen zur Rolle des an diesem Verfahren unbeteiligten Beschwerdeführers, der Mitarbeiter der Privatbank M.M. Warburg war. Im Urteil hieß es insbesondere, der Beschwerdeführer habe gemeinschaftlich mit weiteren Personen vorsätzlich rechtswidrige Steuerstraftaten begangen, zu denen einer der beiden Börsenhändler Hilfe geleistet habe. Der Kammervorsitzende und der Berichterstatter im nachfolgenden Cum-Ex-Strafprozess gegen den Beschwerdeführer waren zuvor an dem Urteil gegen die beiden Börsenhändler beteiligt gewesen. Der Beschwerdeführer lehnte sie deshalb wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das LG wies das Ablehnungsgesuch zurück. Anfang Juni 2021 verurteilte es den Beschwerdeführer wegen fünf Fällen der Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Nachdem der Bundesgerichtshof seine Revision verworfen hatte, rügte der Beschwerdeführer beim BVerfG eine Verletzung seines Rechts auf die Entscheidung durch den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

BVerfG: Recht auf gesetzlichen Richter nicht verletzt

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Dem Beschwerdeführer sei auch unter Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der gesetzliche Richter nicht entzogen worden. Das Befangenheitsgesuch sei nicht willkürlich zu Unrecht abgelehnt worden. Die Vorbefassung der beiden Richter genüge dafür nicht. Die Ausführungen zum Beschwerdeführer in dem Urteil gegen die beiden Börsenhändler führten zu keinem anderen Ergebnis. In komplexen Strafverfahren mit mehreren Beteiligten, die nicht in einem Verfahren gleichzeitig abgeurteilt werden können, könne es unerlässlich sein, dass das Strafgericht auf die Beteiligung Dritter Bezug nehme, gegen die später womöglich ein gesondertes Verfahren geführt werde. Ein einziger Cum-Ex-Prozess gegen alle an den Geschäften beteiligten Personen hätte insbesondere Beteiligte mit untergeordneten Tatbeiträgen über Gebühr mit einem langen Strafverfahren belastet und wäre mit dem Beschleunigungsgebot nicht zu vereinbaren gewesen.

Feststellungen zum Tatbeitrag des Beschwerdeführers waren unverzichtbar

Im früheren Verfahren gegen die beiden Börsenhändler habe zudem auf Feststellungen zum Vorliegen einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat und damit zum Tatbeitrag des Beschwerdeführers nicht verzichtet werden können. Vielmehr müsse das Tatgericht den für die Bewertung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Angeklagten maßgeblichen Sachverhalt so genau und präzise wie möglich feststellen und dürfe entscheidende Tatsachen – einschließlich solcher mit Bezug auf die Beteiligung Dritter – nicht als reine Behauptungen oder Vermutungen darstellen. Das LG sei auch nicht gehalten gewesen, im früheren Urteil die vorsätzliche rechtswidrige Haupttat allgemeiner zu umschreiben und die Person des Haupttäters offenzulassen. Denn hier sei gerade die Identität der Haupttäter, insbesondere deren berufliche Stellung und ihre Kenntnisse im Steuerrecht, maßgeblich für die – im Verfahren gegen die Gehilfen zwingend vorzunehmende – Bewertung der inneren Tatseite der Haupttäter gewesen.

BVerfG, Beschluss vom 27.01.2023 - 2 BvR 1122/22

Redaktion beck-aktuell, 17. Februar 2023.