Ge­rich­te ver­bie­ten Demo nach Ur­teil gegen Lina E.

Nach dem Ur­teil gegen die Links­ex­tre­mis­tin Lina E. vom Mitt­woch ist es in der Nacht zu Sonn­tag er­neut zu Kra­wal­len von Links­ra­di­ka­len in Leip­zig ge­kom­men. Eine für Sams­tag ge­plan­te "Tag X"-So­li­da­ri­täts­de­mons­tra­ti­on, für die bun­des­weit mo­bi­li­siert wor­den war, hatte die Stadt un­ter­sagt. Dies war von der Ver­wal­tungs­ge­richts­bar­keit be­stä­tigt wor­den. Eine da­ge­gen ge­rich­te­te Be­schwer­de zum Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt blieb er­folg­los.

Fünf Jahre und drei Mo­na­te Haft für Lina E.

An­lass für die Kra­wal­le war das Ur­teil gegen Lina E. und drei Mit­an­ge­klag­te wegen Über­fäl­len auf ver­meint­li­che oder tat­säch­li­che Neo­na­zis, bei denen meh­re­re Men­schen teils schwer ver­letzt wor­den waren. Die 28-Jäh­ri­ge war am Mitt­woch vom Ober­lan­des­ge­richt Dres­den zu fünf Jah­ren und drei Mo­na­ten Haft ver­ur­teilt wor­den, kam aber vor­erst auf frei­en Fuß.

Eil­an­trag nicht zur Ent­schei­dung an­ge­nom­men

Die für den ver­gan­ge­nen Sams­tag ge­plan­te "Tag X"-Demo soll­te sich nach den An­ga­ben der An­mel­dung als Auf­zug aus dem Leip­zi­ger Süden zum Haupt­bahn­hof be­we­gen. Die Stadt ver­bot die Demo mit Be­scheid vom 01.06.2023 unter Hin­weis dar­auf, dass ein ge­walt­tä­ti­ger Ver­lauf der Ver­samm­lung zu er­war­ten sei. Es sei davon aus­zu­ge­hen, dass die Ver­samm­lung zu einer un­mit­tel­ba­ren Ge­fähr­dung der öf­fent­li­chen Si­cher­heit führe. Das Ver­wal­tungs­ge­richt Leip­zig und das Säch­si­sche Ober­ver­wal­tungs­ge­richt be­stä­tig­ten am Frei­tag das Ver­bot: Es lägen zu­rei­chen­de Tat­sa­chen vor, die mit hoher Wahr­schein­lich­keit einen un­fried­li­chen Ver­lauf er­war­ten lie­ßen. Auch eine Be­schwer­de beim BVerfG gegen das Ver­bot der ge­plan­ten "Tag X"-Demo blieb er­folg­los. Der Eil­an­trag einer Ver­fas­sungs­be­schwer­de sei mit Be­schluss vom Sams­tag nicht zur Ent­schei­dung an­ge­nom­men wor­den und damit für das Ge­richt ge­gen­stands­los, teil­te ein Spre­cher in Karls­ru­he mit.

Fae­ser will links­ex­tre­me Szene im Blick be­hal­ten

Es gab al­ler­dings wei­te­re De­mons­tra­tio­nen in der Stadt, die nicht ver­bo­ten wur­den. Aus einer zu­nächst fried­li­chen De­mons­tra­ti­on mit weit mehr als 1.500 Men­schen wur­den am Sams­tag­abend wie­der Stei­ne, Fla­schen und ein Brand­satz auf Po­li­zis­ten ge­wor­fen. Bun­des­in­nen­mi­nis­te­rin Nancy Fae­ser (SPD) kün­dig­te an, die links­ex­tre­me Szene im Blick zu be­hal­ten. "Die sinn­lo­se Ge­walt von links­ex­tre­mis­ti­schen Chao­ten und Ran­da­lie­rern ist durch nichts zu recht­fer­ti­gen", er­klär­te sie am Sonn­tag. "Wer Stei­ne, Fla­schen und Brand­sät­ze auf Po­li­zis­ten wirft, muss dafür kon­se­quent zur Re­chen­schaft ge­zo­gen wer­den." Die Si­cher­heits­be­hör­den von Bund und Län­dern wür­den die ge­walt­be­rei­te links­ex­tre­mis­ti­sche Szene in den kom­men­den Tagen und Wo­chen wei­ter genau im Fokus be­hal­ten und kon­se­quent ein­schrei­ten, wenn es zu Straf- und Ge­walt­ta­ten komme.

Er­mitt­lun­gen wegen schwe­ren Land­frie­dens­bruchs und An­grif­fen auf Po­li­zis­ten

Bei den "mas­si­ven Aus­schrei­tun­gen" sind laut Po­li­zei etwa 50 Po­li­zis­ten ver­letzt wor­den. Zudem habe es auch Ver­letz­te auf­sei­ten der De­mons­tran­ten ge­ge­ben, sagte Po­li­zei­prä­si­dent René Demm­ler – die ge­naue Zahl konn­te er nicht be­zif­fern. Er­mitt­lun­gen lau­fen bei der Po­li­zei etwa wegen schwe­ren Land­frie­dens­bruchs und An­grif­fen auf Po­li­zis­ten. Außer den Fest­nah­men seien zwi­schen 40 und 50 Per­so­nen in Ge­wahr­sam ge­nom­men und bis Sonn­tag­mit­tag wie­der ent­las­sen wor­den. Zudem muss­ten die Ein­ge­kes­sel­ten teils über Stun­den aus­har­ren, damit die Po­li­zei ihre Iden­ti­tä­ten re­gis­trie­ren konn­te. "Kurz nach 5.00 Uhr stell­ten die Be­ar­bei­tungs­trupps die letz­te Iden­ti­tät fest", hieß es. Der Bun­des­vor­sit­zen­de der Deut­schen Po­li­zei­ge­werk­schaft, Rai­ner Wendt, mahn­te: "So rich­tig der Kampf gegen Rechts­ex­tre­mis­mus ist, darf der Links­ex­tre­mis­mus nicht wei­ter als Ne­ben­sa­che be­trach­tet wer­den." Das Ein­satz­kon­zept in Leip­zig habe Schlim­me­res ver­hin­dert. "Der Rechts­staat hat sich trotz tau­send­fa­cher Ge­walt durch­ge­setzt." Die Be­schwer­den aus lin­ken Krei­sen seien zy­nisch und un­glaub­wür­dig.

Kri­tik an Po­li­zei: Pro­vo­zie­ren­de Her­an­ge­hens­wei­se

Doch es gab auch deut­li­che Kri­tik am Vor­ge­hen der Po­li­zei. Der Par­la­ments­ge­schäfts­füh­rer der Lin­ken im säch­si­schen Land­tag, Marco Böhme, kri­ti­sier­te, sie habe die Lage durch das "fak­ti­sche Ver­bot" einer So­li­da­ri­täts­de­mons­tra­ti­on für die ver­ur­teil­te Lina E. es­ka­lie­ren las­sen. Der SPD-In­nen­po­li­ti­ker Al­brecht Pal­las sprach von einer pro­vo­zie­ren­den Her­an­ge­hens­wei­se der Po­li­zei. Sie sei beim Ab­drän­gen um­ste­hen­der Men­schen mit un­nö­ti­ger Härte vor­ge­gan­gen und habe viele Men­schen stun­den­lang ein­ge­kes­selt. "Die Mas­si­vi­tät der Po­li­zei­prä­senz oder da­durch be­ding­te mas­si­ve po­li­zei­li­che Re­ak­ti­on auf Klei­nig­kei­ten hat­ten eine es­ka­lie­ren­de Wir­kung, was über­wie­gend Un­be­tei­lig­te traf." Die Links­frak­ti­on will den Ein­satz nun zum Thema im In­nen­aus­schuss des Land­tags ma­chen. Dazu werde ihre Frak­ti­on am Mon­tag eine Son­der­sit­zung be­an­tra­gen, teil­te die Ab­ge­ord­ne­te Kers­tin Kö­ditz via Twit­ter mit. "Die Hin­ter­grün­de der Grund­rechts­ver­let­zun­gen, be­son­ders der Kes­sel, sind auf­klä­rungs­be­dürf­tig." Der Ein­satz der Po­li­zei dau­er­te am Sonn­tag an, die Po­li­zei war auf wei­te­re Stö­run­gen ein­ge­stellt. Eine De­mons­tra­ti­on, zu der in den Leip­zi­ger Süden ge­ru­fen wor­den war, wurde al­ler­dings von der Stadt ver­bo­ten. "Grund dafür sind die Er­fah­run­gen von Sams­tag­abend", sagte ein Spre­cher auf An­fra­ge.

OVG Bautzen, Beschluss vom 02.06.2023 - 3 B 87/23

Redaktion beck-aktuell, 5. Juni 2023 (dpa).

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