Abgeordneter beschimpft Demo-Teilnehmer - Beschwerdeführer bezeichnet ihn als "Obergauleiter der SA-Horden"
Der Beschwerdeführer war Versammlungsleiter einer ordnungsgemäß angemeldeten Demonstration aus dem rechten Spektrum in Köln. Die Demonstration stieß auf zahlreiche Gegendemonstranten. Unter diesen war auch ein Bundestagsabgeordneter der Partei Bündnis 90/Die Grünen vor Ort, um die Durchführung des Aufzuges aktiv zu verhindern. Er bezeichnete die Teilnehmer der Demonstration mehrfach wörtlich und sinngemäß als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten". Der Beschwerdeführer äußerte sich über den Bundestagsabgeordneten wörtlich wie folgt: "Ich sehe hier einen aufgeregten grünen Bundestagsabgeordneten, der Kommandos gibt, der sich hier als Obergauleiter der SA-Horden, die er hier auffordert. Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen."
Beschwerdeführer wegen Beleidigung verurteilt
Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung in Form einer Schmähkritik zu einer Geldstrafe. Auf die Berufung des Beschwerdeführers verwarnte das Landgericht den Beschwerdeführer und behielt sich die Verurteilung zu einer Geldstrafe vor. Die Revision zum Oberlandesgericht blieb erfolglos. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die gerichtlichen Entscheidungen und rügt im Wesentlichen die Verletzung seiner Meinungsfreiheit.
BVerfG: Begriff der Schmähkritik eng auszulegen
Laut BVerfG verletzen die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Dieses schütze nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen. Vielmehr dürfe Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen. Einen Sonderfall würden hingegen herabsetzende Äußerungen bilden, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann sei ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktrete. Das BVerfG betont, dass der Begriff der Schmähkritik wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts eng zu verstehen sei. Die Annahme einer Schmähung habe wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung beurteilt würden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben. Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit seien auch dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind.
Keine Schmäkritik - Vorverhalten des Abgeordneten nicht ausreichend berücksichtigt
Die Gerichte hätten die Äußerung des Beschwerdeführers in verfassungsrechtlich nicht mehr tragbarer Weise als Schmähkritik eingeordnet und die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von der Äußerung Betroffenen unterlassen, so das BVerfG weiter. Die angegriffenen Entscheidungen würden verkennen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Äußerung auch das Handeln des Geschädigten kommentiert habe, der sich maßgeblich an der Blockade der vom Beschwerdeführer als Versammlungsleiter angemeldeten Versammlung beteiligt und die Teilnehmenden auch seinerseits als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" beschimpft habe. Es sei dem Beschwerdeführer nicht ausschließlich um die persönliche Herabsetzung des Geschädigten gegangen. Bereits die unzutreffende Einordnung verkenne Bedeutung und Tragweite der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsfreiheit, monierte das Gericht.
LG muss Abwägung vornehmen
Die angegriffenen Entscheidungen beruhten auf diesem Fehler. Wie diese Abwägung ausgehe, sei verfassungsrechtlich nicht vorgegeben. Bei erneuter Befassung werde auf der einen Seite das Vorverhalten des Geschädigten, der aktiv eine Demonstration habe verhindern wollen, wie auf der anderen Seite das schwere Gewicht einer Ehrverletzung zu berücksichtigen sein, das in einem individuell adressierten Vergleich mit Funktionsträgern des nationalsozialistischen Unrechtsregimes liege, so das BVerfG.