Im ersten Fall hatte das AG Magdeburg einen Mann nach einer Verständigung wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in fünf Fällen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Das Sitzungsprotokoll enthielt aber keine Angaben dazu, wer den Verständigungsvorschlag gemacht und wer welchen Standpunkt vertreten hatte.
Der Verurteilte sah sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt. Das Gericht hätte ihn und die Öffentlichkeit vollständig über das Verständigungsgespräch unterrichten müssen. Da dies nicht passiert sei, leide sein Geständnis an einem "Autonomiedefizit". Sein Verteidiger habe ihn nur über das Ergebnis der Verständigung, nicht aber über weitere Einzelheiten informiert. Nach erfolgloser Sprungrevision beim OLG zog der Verurteilte vor das BVerfG.
Verständigung von Richter unzureichend mitgeteilt
Mit Erfolg – das BVerfG hat die Sache an das OLG zurückverwiesen (Beschluss vom 08.11.2023 – 2 BvR 294/22). Das OLG habe Bedeutung und Tragweite des Rechts auf ein faires Verfahren nicht hinreichend berücksichtigt. Das BVerfG unterstreicht die Bedeutung umfassender Transparenz und Öffentlichkeit bei Verständigungen, um eine effektive Kontrolle durch die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft und das Rechtsmittelgericht zu ermöglichen. Intransparente Deals gefährdeten die Pflicht zur Wahrheitsermittlung und das Schuldprinzip. Eine Verständigung müsse sich daher stets "im Lichte der öffentlichen Hauptverhandlung offenbaren".
Die Mitteilung des Strafrichters über die Verständigung genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen an § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht. Sie gebe den wesentlichen Inhalt des Verständigungsgesprächs nicht vollständig wieder. Der Richter hätte auch darüber informieren müssen, wer die Frage einer Verständigung aufgeworfen habe und welche Standpunkte die einzelnen Gesprächsteilnehmer vertreten hätten.
Das BVerfG moniert auch die Argumentation, mit der ein Beruhen des Urteils auf dem Verstoß gegen die Mitteilungspflicht verneint worden sei. Das OLG hätte nicht lediglich prüfen dürfen, ob durch den Verstoß das Aussageverhalten beeinflusst wurde; es hätte auch die Bedeutung der Kontrollmöglichkeit der Öffentlichkeit berücksichtigen müssen, die von dem Verstoß in erster Linie betroffenen sei.
Formalgeständnis für Verurteilung nicht ausreichend
Im zweiten Fall hatte das AG Halle (Saale) einen Mann nach einer Verständigung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 26 Fällen zu Bewährungsstrafe verurteilt. Der Verteidiger hatte "die Tatvorwürfe aus der Anklage" bestätigt, was sein Mandant mit "Das ist richtig so" bekräftigte. Eine Beweisaufnahme zur Überprüfung der Einlassung fand nicht statt. Nach erfolgloser Sprungrevision wandte sich der Mann an das BVerfG.
Auch er hatte Erfolg. Die Sache geht zurück ans AG. Laut BVerfG verletzen die Urteile von AG und OLG den Verurteilten in seinem Recht auf ein faires Verfahren (Beschluss vom 20.12.2023 – 2 BvR 2103/20). Die Gerichte hätten den verfassungsrechtlichen Schutzgehalt des § 257c Abs. 1 S. 2 StPO verkannt, der eine Disposition über die gerichtliche Aufklärungspflicht ausschließe. Die materielle Wahrheit sei nicht ausreichend erforscht worden.
Die Verurteilung hätte nicht allein auf das Geständnis gestützt werden dürfen. Das Strafverfahren sei komplex gewesen und das Geständnis habe nur eine geringe Qualität gehabt, es sei kaum mehr als eine Formalgeständnis gewesen. Insbesondere sei nicht berücksichtigt worden, dass der Mann das Geständnis nur von seinem Verteidiger verlesen ließ. Laut BVerfG hätte sich dem AG daher zwingend die Notwendigkeit einer ergänzenden Beweiserhebung zur Überprüfung des Geständnisses und der Feststellung der Schuld des Mannes aufdrängen müssen.