Verfassungskonforme Auslegung nötig
Bei verfassungskonformer Anwendung sei die Regelung zur externen Teilung bestimmter Anrechte aus der betrieblichen Altersvorsorge mit den Eigentumsgrundrechten der ausgleichspflichtigen und der ausgleichsberechtigten Person vereinbar, formulierten die Richter. Sie wahre dann auch die verfassungsrechtlichen Grenzen faktischer Benachteiligung von Frauen. Dafür müssten die Gerichte aber den Ausgleichswert bei der Begründung des Anrechts bei einem anderen Versorgungsträger so bestimmen, dass die ausgleichsberechtigte Person keine unangemessene Verringerung ihrer Versorgungsleistungen zu erwarten hat. Der Versorgungsträger müsse dabei entstehende Belastungen vermeiden können, indem ihm die Wahl der internen Teilung stets möglich bleibe. Mit dieser Begründung hat der Erste Senat mit Urteil vom heutigen Tage entschieden, dass § 17 VersAusglG mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Problemfall: Externe Teilung von Betriebsrenten
Lässt sich ein Paar scheiden, werden die Rentenansprüche im Versorgungsausgleich prinzipiell miteinander verrechnet. Ohne diesen Vorgang bekäme bei vielen Paaren der Mann als Hauptverdiener sonst viel mehr Rente als seine Frau, die sich vielleicht jahrelang zu Hause um die Kinder gekümmert hat. Im heute entschiedenen Fall ging es speziell um die Betriebsrenten. Dort erhält die Frau - anders als bei allen anderen Renten - ihr Geld nicht automatisch vom selben Versorgungsträger, bei dem der Mann seine Rente hat. Die Ansprüche dürfen ausgelagert und an eine andere Unterstützungskasse übertragen werden - auch gegen den Willen der Frau. Fachleute sprechen von externer Teilung. Der Gesetzgeber wollte damit die Träger der betrieblichen Altersversorgung entlasten.
Übertragungsverluste benachteiligen überwiegend Frauen
Das Problem: Bei der Übertragung kommt es wegen der Zinsentwicklung der letzten Jahre oft zu deutlichen Verlusten. Der Mann verliert also die Hälfte seines Rentenanspruchs, bei der Frau kommt aber nur ein Teil davon an. Das kann mehrere hundert Euro im Monat ausmachen. Das Oberlandesgericht Hamm hatte das für verfassungswidrig gehalten. Die Richter hatten deshalb ein Scheidungsverfahren ausgesetzt, um § 17 Versorgungsausgleichsgesetz in Karlsruhe prüfen zu lassen.
OLG: Für 90% negative Folgen aus externer Teilung
Die OLG-Richter gingen davon aus, dass zwischen 2009 und 2017 mindestens 90% aller Geschiedenen mit einer externen Teilung dadurch negative Folgen hatten. § 17 VersAusglG komme bei schätzungsweise jeder 20. Scheidung zur Anwendung. Bei durchschnittlich 170.000 Scheidungen im Jahr entspreche das einer mittleren fünfstelligen Zahl.
DAV sieht "enorme Aufgabe" auf Familiengerichte zukommen
Experten sehen nun viel Arbeit auf die Familiengerichte zukommen. Diese müssten in Zukunft im Scheidungsverfahren wesentlich umfangreichere Prüfungen vornehmen, sagte Klaus Weil vom Deutschen Anwaltverein nach der Verkündung in Karlsruhe. Das werde eine "enorme Aufgabe für die Familiengerichte, die mit dem Massengeschäft Versorgungsausgleich sowieso schon sehr belastet sind". Er gehe davon aus, dass dies nicht jeder Richter so ohne Weiteres gewährleisten könne und künftig häufig Sachverständige hinzugezogen werden müssten.
djb hätte sich Rechtssicherheit für Betroffene gewünscht statt Verweis auf Einzelfall
Gemischt fiel die Reaktion des Deutschen Juristinnenbunds (djb) aus. "Die Entscheidung hat für die betroffenen Frauen eine gute und eine weniger gute Seite", sagte dessen Präsidentin Maria Wersig der NJW. Zwar zeige das BVerfG die faktische Benachteiligung von Frauen explizit auf, was zu begrüßen sei. "Gleichzeitig hält es aber die Regelung im Versorgungsausgleichsgesetz bei verfassungskonformer Anwendung für vereinbar mit dem Grundgesetz." Das helfe den betroffenen Frauen nur bedingt, denn damit gehe es weiterhin um den Einzelfall, was Rechtssicherheit bis auf Weiteres ausschließe. Wersig: "Frauen sind gehalten, den Instanzenzug anzutreten, was nicht nur finanziell belastend ist."