BVerfG weist Eilanträge gegen Einheitliches Patentgericht ab
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Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht zwei Eilanträge abgelehnt, die sich gegen das am 18.12.2020 zustande gekommene Gesetz zum Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht richteten. Zur Begründung führt der Senat aus, dass die Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung des Demokratieprinzips oder der Ausweitung des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht hinreichend substantiiert dargelegt hätten.

Mitgliedstaaten einigen sich auf Einführung eines Einheitlichen Patentgerichts

Das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) sieht die Errichtung eines Einheitlichen Patentgerichts als gemeinsames Gericht der Vertragsmitgliedstaaten für Streitigkeiten über europäische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Wirkung vor. Dem Einheitlichen Patentgericht soll in Bezug auf die Patente die ausschließliche Zuständigkeit für einen umfangreichen Katalog von Streitigkeiten übertragen werden. Dieser umfasst insbesondere Klagen wegen Patentverletzungen, Streitigkeiten über den Bestand von Patenten und Klagen gegen Entscheidungen des Europäischen Patentamts in Ausübung der ihm übertragenen Aufgaben. Das angefochtene zweite Zustimmungsgesetz des Bundestages (EPGÜ-ZustG II) ersetzt das vom Deutschen Bundestag am 10.03.2017 beschlossene EPGÜ-ZustG I, das der Senat mit Beschluss vom 13.02.2020 für nichtig erklärt hatte.

BVerfG: Verfassungsbeschwerden unzulässig

Die Beschwerdeführer rügen im Wesentlichen eine Verletzung ihres Anspruchs auf demokratische Selbstbestimmung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 79 Abs. 3 GG. Ihrer Ansicht nach verletzt die Art und Weise der Ernennung und Wiederbestellung der Richterinnen und Richter des Einheitlichen Patentgerichts das Rechtsstaatsprinzip und das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz. Außerdem werde durch den in Art. 20 EPGÜ geregelten Vorrang des Unionsrechts die Identitätskontrolle abgeschnitten, was eine unzulässige Berührung der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität darstelle. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nunmehr als unzulässig zurückgewiesen, weil die Verfassungsbeschwerden in der Hauptsache unzulässig seien. Die Beschwerdeführer hätten die vorgetragenen Rechtsverletzungen und Rechtsverstöße nicht substantiiert geltend gemacht.

Identität des Grundgesetzes wird nicht angegriffen

Die Beschwerdeführer hätten nicht näher dargelegt, inwieweit das Übereinkommen wegen der organisatorischen Ausgestaltung des Einheitlichen Patentgerichts und der Rechtsstellung seiner Richterinnen und Richter das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip verletze und damit das über Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG allein subjektivierte und in Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG niedergelegte Demokratieprinzip berührt werde. Eine solche Rüge sei allerdings an strenge Voraussetzungen gebunden und gewähre keinen Anspruch auf eine über die Sicherung des Demokratieprinzips hinausgehende Rechtmäßigkeitskontrolle demokratischer Mehrheitsentscheidungen. Eine Beeinträchtigung des Gewährleistungsgehalts des Demokratieprinzips setze daher die Darlegung voraus, dass durch das angegriffene Übereinkommen Hoheitsrechte auf die Europäische Union oder in einem Ergänzungs- oder besonderen Näheverhältnis zu ihr stehende Einrichtungen übergehen würden und diesen eine sogenannte Kompetenz-Kompetenz zuerkannt werde, Blankettermächtigungen zur Ausübung öffentlicher Gewalt ohne entsprechende Sicherungen erteilt oder Rechte des Bundestages wesentlich geschmälert würden. Der Vortrag der Beschwerdeführer beschränke sich indes auf die Darstellung, dass Art. 6 ff. EPGÜ wegen der Ernennung der Richterinnen und Richter des Einheitlichen Patentgerichts auf sechs Jahre, einer möglichen Wiederbestellung und der nicht ausreichenden Anfechtbarkeit einer Amtsenthebung gegen Art. 97 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 EMRK und gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verstoßen. Inwieweit hierdurch das Demokratieprinzip berührt sei, trügen sie nicht vor.

Rüge zu Ausweitung des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht substantiiert genug

Nicht hinreichend substantiiert sei die Verfassungsbeschwerde auch, soweit sie sich gegen die Regelung des Vorrangs des Unionsrechts in Art. 20 EPGÜ richte. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG enthalte ein Wirksamkeits- und Durchsetzungsversprechen für das Unionsrecht, zu dem auch gehöre, dem Unionsrecht im Zustimmungsgesetz nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG einen Anwendungsvorrang vor nationalem Recht einzuräumen. Dieser Anwendungsvorrang reiche indes nur so weit, wie das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlaubten oder vorsähen. Vor diesem Hintergrund enthielten der Vertrag über die Europäische Union und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union auch keine ausdrückliche Festlegung zum Vorrang des Unionsrechts. Art. 20 EPGÜ könne daher nur so verstanden werden, dass mit ihm Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit des Übereinkommens mit dem Unionsrecht ausgeräumt werden sollten, er hingegen keine über den Status quo hinausgehende Regelung des Verhältnisses von Unionsrecht und nationalem Verfassungsrecht enthalte. Mit alldem setze sich die Beschwerde nicht weiter auseinander, sondern beschränke sich unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Senats vom 13.12.2020 auf die Feststellung, dass durch Art. 20 EPGÜ die Identitätskontrolle abgeschnitten werde, was mit Art. 79 Abs. 3 GG nicht vereinbar sei. Das genüge den Substantiierungsanforderungen nicht.

BVerfG, Beschluss vom 23.06.2021 - 2 BvR 2216/20

Redaktion beck-aktuell, 9. Juli 2021.