Entschädigung für Atomausstieg muss neu geregelt werden
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Das Bundesverfassungsgericht hält die 2018 beschlossene Entschädigungsregelung für Stromkonzerne wegen des Atomausstiegs für unzureichend. Damit war eine Verfassungsbeschwerde des Energieversorgers Vattenfall erfolgreich.

Atomausstieg nach Fukushima-Katastrophe

Die Folgen des Atomausstiegs müssen erneut vom Bundestag behandelt werden: Das schwedische Unternehmen Vattenfall ist vor dem BVerfG mit einer Beschwerde gegen die 16. Novelle zum Atomgesetz vom 10.07.2018 durchgedrungen. Nach dem Reaktorunfall in Fukushima 2011 hatte der Bund entschieden, dass der Ausstieg aus der Kernenergie beschleunigt werden soll. Durch die 13. Novelle zum Atomgesetz wurden zuvor vereinbarte Verlängerungen der Restlaufzeiten für deutsche AKW verkürzt. Für bestimmte Betreiber wie Vattenfall führte dies zum Verlust von zugesagten Reststrommengen. 

Erstes BVerfG-Urteil nicht umgesetzt

Dies billigte das BVerfG mit Urteil vom 06.12.2016, gab den insoweit schlechter gestellten Energieunternehmen aber in einem wesentlichen Punkt Recht: Der Bund wurde verpflichtet, bis zum 30.06.2018 einen Ausgleich hierfür zu finden. Die Form der Entschädigung – zum Beispiel Laufzeitverlängerung, Übertragung an andere Betreiber oder staatlicher Ersatz des Schadens – sollte dabei dem Gesetzgeber überlassen bleiben.

Nun rügte Vattenfall vor dem Bundesverfassungsgericht, dass das Gesetz weder in Kraft getreten sei noch inhaltlich einen nachvollziehbaren Ausgleich biete. Vielmehr müssten die Einnahmen aus den Reststrommengen geteilt werden, und es bestehe die Gefahr, dass sie unter Marktwert angeboten werden müssten.

Neuregelung erforderlich

Der Erste Senat folgte dieser Argumentation im Wesentlichen. Das Gesetz sei nicht in Kraft getreten, denn die darin genannten Bedingungen – beihilferechtliche Genehmigung der Europäischen Kommission oder verbindliche Erklärung der Genehmigungsfreiheit durch sie – seien beide nicht erfüllt. Ein Schreiben der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission vom Juli 2018 biete nur eine unverbindliche "Einschätzung". Die Verfassungsrichter wiesen deutlich darauf hin, dass es auch nicht ausreichen würde, das Änderungsgesetz "unverändert in Kraft zu setzen". Der Gesetzgeber habe sich für eine ungeeignete Kombination von Abgabe an andere Stromanbieter und staatlicher Entschädigung entschieden. Diese sei "nicht hinreichend klar und operationabel" und im Gesetz lediglich "rudimentär" angelegt. Die jetzige Regelung "bildet daher keinen angemessenen Ausgleich im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, sondern perpetuiert insoweit die im Urteil vom 6. Dezember 2016 festgestellte Unverhältnismäßigkeit des Eigentumseingriffs“, so die Karlsruher Richter.

Schulze sagt rasche Neuregelung zu

Bundesumweltministerin Svenja Schulze sagte nach dem Urteil zu, rasch für eine neue Regelung zu sorgen. "Wir werden das Urteil gründlich analysieren und zügig eine Gesetzesregelung auf den Weg bringen, die den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes gerecht wird", sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag. "Die Bundesregierung respektiert selbstverständlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts", sagte Schulze. Klar sei, dass das Urteil nicht den Atomausstieg bis 2022 an sich betreffe. "Es geht um einen Randbereich: Regelungen für gewisse etwaige Ausgleichsansprüche der AKW-Betreiber."

BVerfG, Beschluss vom 29.09.2020 - 1 BvR 1550/19

Redaktion beck-aktuell; Michael Dollmann, Mitglied der NJW- und beck-aktuell-Redaktion, 12. November 2020 (ergänzt durch Material der dpa).