EncroChat: Noch keine Entscheidung aus Karlsruhe
encrochat_CR_Ascannio_adobe
© Ascannio / Adobe Stock
encrochat_CR_Ascannio_adobe

Das BVerfG hat noch keine inhaltliche Entscheidung zu der Frage getroffen, ob deutsche Gerichte in Frankreich ausgewertete Chats des verschlüsselten Kommunikationsdienstes EncroChat als Beweismittel nutzen durften. Es hat mehrere Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen.

Das Unternehmen EncroChat hatte seinen Nutzern Mobiltelefone mit einer besonderen Softwareausstattung angeboten, die angeblich nicht zu überwachende Chats ermöglichte. Nachdem französische und später auch niederländische Behörden das System dennoch geknackt und so zahlreiche kriminelle Taten entdeckt hatten, kamen Tausende Ermittlungsverfahren in Gang - viele mit Bezug zu Deutschland. Es geht vor allem um Drogengeschäfte, aber auch um Mordanschläge, Überfälle und Geldwäsche. Die Ermittlungsbehörde Europol hatte im Juni berichtet, bisher seien mit Hilfe ausgewerteter EncroChat-Daten mehr als 6.500 Menschen festgenommen und fast 900 Millionen Euro beschlagnahmt worden.

Eines der Ermittlungsverfahren betraf einen deutschen Drogendealer, der im Juli 2021 vom Landgericht Rostock wegen Drogenhandels zu fünf Jahren Haft verurteilt worden war. Seine Überzeugung von der Täterschaft hatte das LG auf Chats gestützt, die über EncroChat geführt worden waren und die es dem Dealer zugeordnet hatte. Die dagegen gerichtete Revision des Verurteilten verwarf der BGH im Februar 2022.

Subsidiaritätsgrundsatz nicht gewahrt

Das BVerfG betont anlässlich der Verfassungsbeschwerde des Mannes nun ausdrücklich, dass es über die verfassungsrechtliche Frage der Verwertbarkeit der EncroChat-Daten in diesem Verfahren nicht entschieden hat. Die Verfassungsbeschwerde sei schon unzulässig, weil der verurteilte Dealer den Subsidiaritätsgrundsatz nicht gewahrt und eine Grundrechtsverletzung nicht substantiiert dargetan habe.

Die behauptete Verletzung seiner Rechte aus Art. 7 und 8 der Grundrechte-Charta der EU, die das Privat- und Familienleben sowie die personenbezogenen Daten schützen, habe er vor dem BGH nicht ausreichend vorgetragen.

Der Grundsatz der Subsidiarität verlange von einem Beschwerdeführer im Strafverfahren, der seine Grundrechte durch Verstöße des Tatgerichts verletzt sieht, diese im Revisionsverfahren so zu rügen, dass der BGH in eine sachliche Prüfung der Rüge eintreten kann. Dies habe der Beschwerdeführer nicht getan, insbesondere habe er in Bezug genommene Teile der Akten nicht vorgelegt.

Grundrecht auf gesetzlichen Richter nicht verletzt

Ohne Erfolg blieb auch die geltend gemachte Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Verurteilte hatte sie damit begründet, dass der BGH zahlreiche Fragen zur Zulässigkeit und Verwertbarkeit der EncroChat-Daten nicht dem EuGH nicht vorgelegt habe.

Die Verfassungsrichter erläuterten, eine Nichtvorlage sei nur relevant, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist. Das sei hier aber nicht der Fall, weil die Antworten des EuGH hier keinen Einfluss auf die Revisionsentscheidung hätten nehmen können. Denn der BGH hatte nicht über die Rechtmäßigkeit der Beweisverwertung zu entscheiden, weil der Dealer die Beweisverwertung durch das LG mit der Revision nicht in zulässiger Weise gerügt hatte.

BVerfG, Beschluss vom 09.08.2023 - 2 BvR 558/22

Redaktion beck-aktuell, 5. September 2023 (ergänzt durch Material der dpa).