Eil­an­trag gegen zwei­te Stufe des Ber­li­ner Mie­ten­de­ckels ab­ge­lehnt
berlin_wohnungsbau_mietendeckel_CR Bernd von Jutrczenka dpa
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Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat den Eil­an­trag einer Ver­mie­te­rin in Ber­lin auf eine vor­läu­fi­ge Aus­set­zung des In­kraft­tre­tens der zwei­ten Stufe des Ber­li­ner Mie­ten­de­ckels mit Be­schluss vom 28.10.2020 ab­ge­lehnt. Es sei schon nicht dar­ge­legt, dass den Ver­mie­tern Ber­lins ein schwe­rer Nach­teil von be­son­de­rem Ge­wicht droht.

Ver­mie­te­rin be­gehr­te vor­läu­fi­ge Aus­set­zung der Re­ge­lung zur über­höh­ten Miete

Gegen die §§ 3 bis 7 sowie gegen § 11 Abs. 1 Nr. 2 bis 5, Abs. 2 Mie­ten­WoG Bln haben meh­re­re Ver­mie­ter Ver­fas­sungs­be­schwer­de er­ho­ben. Mit einem An­trag auf Er­lass einer einst­wei­li­gen An­ord­nung be­gehrt eine be­schwer­de­füh­ren­de Ver­mie­te­rin, eine Ge­sell­schaft bür­ger­li­chen Rechts, das In­kraft­tre­ten des § 5 Abs. 1 und 2 Mie­ten­WoG Bln vor­läu­fig aus­zu­set­zen. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Mie­ten­WoG Bln ist in allen Miet­ver­hält­nis­sen eine Miete ver­bo­ten, so­weit sie die nach Be­rück­sich­ti­gung der Wohn­la­ge be­stimm­te Miet­ober­gren­ze aus den §§ 6 oder 7 Abs. 1 Mie­ten­WoG Bln um mehr als 20 % über­schrei­tet und nicht als Här­te­fall ge­neh­migt ist. Die Be­schwer­de­füh­re­rin ist Ei­gen­tü­me­rin und Ver­mie­te­rin von 24 Woh­nun­gen in einem 2009 er­wor­be­nen dar­le­hens­fi­nan­zier­ten Haus in Ber­lin, das ins­be­son­de­re auch der Al­ters­vor­sor­ge der bei­den Ge­sell­schaf­ter die­nen soll. Mit In­kraft­tre­ten des § 5 Mie­ten­WoG Bln müss­te sie nach ihren Dar­le­gun­gen je­den­falls für 13 ihrer Woh­nun­gen die Miete ab­sen­ken.

BVerfG: Kein schwe­rer Nach­teil von be­son­de­rem Ge­wicht dar­ge­legt

Das BVerfG hat den An­trag auf Er­lass einer einst­wei­li­gen An­ord­nung ab­ge­lehnt. Er ge­nü­ge nicht den hohen An­for­de­run­gen, die an die Dar­le­gung der Vor­aus­set­zun­gen für den Er­lass einer einst­wei­li­gen An­ord­nung, die auf eine Aus­set­zung des In­kraft­tre­tens eines Ge­set­zes ge­rich­tet ist, zu stel­len seien. Werde die Aus­set­zung des In­kraft­tre­tens eines Ge­set­zes be­gehrt, sei bei der grund­sätz­lich durch­zu­füh­ren­den Fol­gen­ab­wä­gung ein be­son­ders stren­ger Maß­stab an­zu­le­gen. Die Be­schwer­de­füh­re­rin habe nicht dar­ge­legt, dass im Fall der Ab­leh­nung ihres An­trags ein schwe­rer Nach­teil von be­son­de­rem Ge­wicht droht. In­so­weit sei von ent­schei­den­der Be­deu­tung, ob die Nach­tei­le ir­rever­si­bel oder nur sehr er­schwert re­vi­dier­bar oder in der Zeit zwi­schen dem In­kraft­tre­ten eines Ge­set­zes und der BVerfG-Ent­schei­dung in der Haupt­sa­che sehr schwer­wie­gend seien. Sol­che Grün­de habe sie weder im Hin­blick auf die ei­ge­ne Si­tua­ti­on noch für die Ge­samt­heit oder eine er­heb­li­che Zahl der Ver­mie­ter dar­ge­tan.

Keine exis­tenz­be­dro­hen­den wirt­schaft­li­chen Fol­gen dar­ge­tan

Zwar wür­den die Be­schwer­de­füh­re­rin sowie alle Ver­mie­ter Ber­lins in ver­gleich­ba­rer Lage dazu ge­zwun­gen, ihre zu­nächst wirk­sam ver­ein­bar­ten Mie­ten in be­stehen­den Miet­ver­hält­nis­sen auf das nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Mie­ten­WoG Bln zu­läs­si­ge Maß ab­zu­sen­ken. Es sei je­doch nach den Dar­le­gun­gen der Be­schwer­de­füh­re­rin nicht er­kenn­bar, dass dar­aus hin­rei­chend schwe­re Nach­tei­le von be­son­de­rem Ge­wicht fol­gen. Der Be­schwer­de­füh­re­rin wür­den mit In­kraft­tre­ten des § 5 Abs. 1 Mie­ten­WoG Bln zwar mo­nat­li­che Miet­ein­nah­men ent­zo­gen. Tat­säch­li­che Aus­wir­kun­gen wirt­schaft­li­cher Art könn­ten re­gel­mä­ßig aber nicht als von ganz be­son­de­rem Ge­wicht be­wer­tet wer­den, wenn sie nicht exis­tenz­be­dro­hen­de Aus­ma­ße an­neh­men. Dies habe die Be­schwer­de­füh­re­rin aber weder dar­ge­legt noch sei dies sonst er­sicht­lich. In­so­weit sei auch der durch die An­wen­dung des § 5 Abs. 1 Mie­ten­WoG Bln be­ding­te Ver­wal­tungs- und Kos­ten­auf­wand nicht ge­eig­net, einen sol­chen schwer­wie­gen­den Nach­teil zu be­grün­den.

Keine ir­rever­si­blen Schä­den im Fall der Ver­fas­sungs­wid­rig­keit

Bei der Be­schwer­de­füh­re­rin trä­ten grund­sätz­lich auch keine ir­rever­si­blen Schä­den für den Fall ein, dass sich die Norm nach einer BVerfG-Ent­schei­dung in der Haupt­sa­che als ver­fas­sungs­wid­rig er­weist. Sie könne in die­sem Fall die mit ihren Mie­tern ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Be­trä­ge rück­wir­kend ver­lan­gen. Dass den­noch ein ir­rever­si­bler und auch schwer­wie­gen­der Nach­teil für die Be­schwer­de­füh­re­rin ein­trä­te, zeige diese nicht in der ge­bo­te­nen nach­voll­zieh­ba­ren in­di­vi­dua­li­sier­ten und kon­kre­ten Weise auf.

Auch keine schwe­ren Nach­tei­le für sämt­li­che Ber­li­ner Ver­mie­ter auf­ge­zeigt

Un­ge­ach­tet des­sen wür­den auch für die Ge­samt­heit oder eine er­heb­li­che Zahl der Ver­mie­ter Ber­lins keine sol­chen Nach­tei­le auf­ge­zeigt, so das BVerfG wei­ter. Aus­weis­lich der Be­grün­dung des Ge­setz­ent­wurfs dürf­ten zwar etwa 340.000 Miet­ver­hält­nis­se, in denen die Miete im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Mie­ten­WoG Bln über­höht sei, be­trof­fen sein. Dass eine er­heb­li­che Zahl der Ver­mie­ter durch die An­wen­dung des § 5 Abs. 1 Mie­ten­WoG Bln über eine Min­de­rung ihrer Miet­ein­nah­men hin­aus je­doch dau­er­haf­te er­heb­li­che Ver­lus­te oder eine Sub­stanz­ge­fähr­dung des Miet­ob­jekts zu be­fürch­ten hätte, sei nicht er­sicht­lich.

BVerfG, Beschluss vom 28.10.2020 - 1 BvR 972/20

Redaktion beck-aktuell, 29. Oktober 2020.

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