Nicht anonymisierte Meldedaten werden zu Vorbereitung des Zensus zentral erfasst und verarbeitet
Die Bundesrepublik Deutschland ist verpflichtet, der Europäischen Kommission für das Bezugsjahr 2021 statistische Daten für eine geplante Volkszählung zu übermitteln. Zum Zweck der Prüfung der Übermittlungswege und der Qualität der hierfür zu übermittelnden Daten aus den Melderegistern sowie zum Test und zur Weiterentwicklung der Programme für die Durchführung des Zensus 2021 sieht § 9a des Zensusvorbereitungsgesetzes 2021 – beginnend am 14.01.2019 – eine zentrale Erfassung, Speicherung und Verarbeitung der nicht anonymisierten Meldedaten aller zum 13.01.2019 gemeldeten Personen durch das Statistische Bundesamt vor. Die übermittelten Daten sind nicht anonymisiert und umfassen neben Name und Wohnanschrift, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Familienstand unter anderem auch die Zugehörigkeit zu öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften. Eine Speicherung ist für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren nach dem Stichtag vorgesehen. Eine Verarbeitung der Daten zu anderen Zwecken als der Prüfung der Übermittlungswege, der Prüfung der Datenqualität und dem Test und der Weiterentwicklung der Programme für die Durchführung des Zensus 2021 ist ausgeschlossen.
Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingewendet
Die Antragsteller machen eine Verletzung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geltend. Die Übermittlung der nicht anonymisierten Daten lasse Rückschlüsse auf den Kernbereich der privaten Lebensführung zu. Dies stehe außer Verhältnis zum Nutzen einer Erprobung und Optimierung der bereits weitgehend erprobten Übermittlungswege und Programme, zumal der Zweck der Übermittlung auch durch eine Übermittlung anonymisierter Daten – gegebenenfalls ergänzt um nicht anonymisierte Stichproben in geringem Umfang – in vergleichbarer Weise erreicht werden könne.
Folgenabwägung entscheidet über Erfolg oder Misserfolg des Eilantrags
Das BVerfG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Grundlage einer Folgenabwägung abgelehnt. Das BVerfG kann einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Der Ausgang einer gegebenenfalls noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerde sei hier offen. Sie sei weder offensichtlich unzulässig noch unbegründet, da in der Kürze der Zeit beispielsweise nicht abschließend geklärt habe werden können, ob für den Testdurchlauf nicht auch geringere Datenmengen oder eine begrenztere Übermittlung oder Speicherung ausreichend gewesen wäre. Das BVerfG hat daher auf Grundlage einer Folgenabwägung entscheiden müssen. Es gelte, die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung erginge, die Verfassungsbeschwerde jedoch erfolglos wäre, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung abgelehnt würde, die Verfassungsbeschwerde letztlich aber Erfolg hätte.
BVerfG räumt bezweckter reibungsloser Durchführung des Zensus Vorrang ein
Werde – wie vorliegend – die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes begehrt, sei wegen des Eingriffs in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ein besonders strenger Maßstab an die Folgenabwägung anzulegen. Ergeht die einstweilige Anordnung nicht, hätte eine potentielle Verfassungsbeschwerde aber Erfolg, würden alle Daten der Beschwerdeführer für die Testzwecke zusammengeführt, obwohl dies nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig wäre. Angesichts der eng begrenzten Verwendungszwecke und der strengen Vorgaben der Geheimhaltung überwiege der Nachteil einer möglicherweise unverhältnismäßigen Speicherung nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit gegenüber dem Interesse daran, durch einen Testlauf eine reibungslose Durchführung des Zensus 2021 zu ermöglichen. Die Behörden dürften die Daten nur zur Vorbereitung des Zensus nutzen. An den Inhalt der Daten selbst dürften sie hierfür nicht anknüpfen und an ihm hätten sie auch keinerlei Interesse, betont das BVerfG. Demgegenüber sei nach dem bei vorläufiger Betrachtung nicht unplausibel erscheinenden Vortrag des Bundesinnenministeriums der Probedurchlauf mit nicht anonymisierten Daten aller Meldebehörden erforderlich, um die Qualität der Merkmale und der Programme effektiv überprüfen zu können.