Schiedsgericht nach Investitionsschutzvertrag zwischen Niederlande und Slowakei angerufen
Die Antragstellerin mit Sitz in den Niederlanden gründete in der Slowakischen Republik eine Tochtergesellschaft, über die sie private Krankenversicherungen anbot. 2007 verbot die Slowakische Republik die Ausschüttung von Gewinnen aus dem Krankenversicherungsgeschäft. Das Verfassungsgericht der Slowakischen Republik erklärte das Verbot im Jahr 2011 für verfassungswidrig, worauf Gewinnausschüttungen wieder zugelassen wurden. Die Antragstellerin leitete daraufhin auf der Grundlage von Art. 8 des Abkommens über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen zwischen der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik und dem Königreich der Niederlande ein Schiedsverfahren ein, mit dem sie von der Slowakischen Republik Ersatz ihrer Schäden infolge der gesetzlichen Regulierungsmaßnahmen begehrte. Das hierauf konstituierte Schiedsgericht legte Frankfurt am Main als Ort des schiedsgerichtlichen Verfahrens fest.
Schiedsgericht spricht Investor Schadensersatz zu
Das Schiedsgericht verurteilte die Slowakische Republik durch Schiedsspruch zur Zahlung von rund 22,1 Millionen Euro nebst Zinsen an die Antragstellerin wegen Verletzung verschiedener Bestimmungen des genannten Investitionsschutzvertrages durch die gesetzlichen Restriktionen der Liberalisierung des Krankenversicherungsmarktes. Das OLG Frankfurt am Main wies die beantragte Aufhebung des Schiedsspruchs zurück. Dagegen erhob die Slowakische Republik Rechtsbeschwerde zum BGH. Dieser legte dem EuGH verschiedene Fragen zur Unionskonformität von Investor-Staat-Schiedsverfahren auf der Grundlage bilateraler Investitionsschutzverträge zwischen EU-Mitgliedstaaten zur Vorabentscheidung vor.
EuGH kippt Schiedsklausel in Investitionsschutzvertrag
Im März 2018 entschied der EuGH (BeckRS 2018, 2315), dass Bestimmungen wie Art. 8 des gegenständlichen Investitionsschutzvertrages nicht mit Artt. 267, 344 AEUV vereinbar seien. Daraufhin hob der BGH den Beschluss des OLG sowie den Schiedsspruch auf. Dagegen hat die Antragstellerin Verfassungsbeschwerde erhoben (Az.: 2 BvR 557/19).
Übereinkommen zur Beendigung EU-interner bilateraler Investitionsschutzverträge geschlossen
Die EU-Mitgliedstaaten gelangten vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils zu der Ansicht, dass die unionsrechtliche Unwirksamkeit der Investor-Staat-Schiedsklauseln sämtliche - insgesamt rund 200 - Intra-EU-Investitionsschutzverträge erfasse, auch wenn diese keine mit Art. 8 des dort streitgegenständlichen Investitionsschutzvertrages vergleichbare Regelung enthielten. Daraufhin wurde am 05.05.2020 ein Übereinkommen von 23 Mitgliedstaaten der EU unterzeichnet, das die Beendigung von bilateralen Investitionsschutzverträgen unter Wegfall von Nachwirkungsklauseln vorsieht. In Art. 9 enthält das Übereinkommen Regelungen zu einem "Strukturierten Dialog" für anhängige Schiedsverfahren. Führt dieser Streitbeilegungsmechanismus nicht zum Erfolg, sieht Art. 10 besondere Möglichkeiten zur Klage vor den Gerichten des Investitionsstaats vor. Der Deutsche Bundestag verabschiedete schließlich das erforderliche Zustimmungsgesetz zu dem Übereinkommen.
Investorin will deutsche Ratifikation verhindern
Die Antragstellerin wollte die Ratifikation des Übereinkommens per Eilantrag verhindern. Sie ist der Auffassung, sie werde dadurch um den möglichen Erfolg ihrer Verfassungsbeschwerde im Verfahren 2 BvR 557/19 gebracht.
BVerfG: Mögliche Betroffenheit durch deutsche Ratifikation nicht dargelegt
Das BVerfG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unzulässig verworfen. Die Antragstellerin habe nicht dargetan, dass ihr durch die Ratifizierung des Übereinkommens schwere Nachteile im Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG entstehen. Sie lege bereits nicht näher dar, inwiefern das Inkrafttreten des deutschen Zustimmungsgesetzes und die Ratifikation des Übereinkommens vom 05.05.2020 durch die Bundesrepublik Deutschland sie überhaupt betreffe. Nach Art. 4 Abs. 2 des Übereinkommens würden die jeweiligen bilateralen Investitionsschutzverträge und Nachwirkungsklauseln wirksam beendet, sobald das Übereinkommen für die jeweils betreffenden Vertragsparteien in Kraft trete. Im Falle des Verfahrens 2 BvR 557/19 gehe es um ein bilaterales Investitionsschutzabkommen zwischen den Niederlanden und der Slowakei. Dessen Beendigung werde durch das deutsche Zustimmungsgesetz und die Ratifikation des Übereinkommens in keiner Weise berührt.
Faktisches Leerlaufen der Verfassungsbeschwerde nicht dargetan
Die Antragstellerin setze sich auch nicht damit auseinander, weshalb die Inkraftsetzung des Übereinkommens ihre Verfassungsbeschwerde in dem Verfahren 2 BvR 557/19 faktisch ins Leere laufen lassen sollte. In der Verfassungsbeschwerde rüge sie die Verletzung ihrer Rechte durch die BGH-Beschlüsse und behaupte, durch das EuGH-Urteil von einem Ultra-vires-Akt betroffen zu sein. Aus dem Vortrag der Antragstellerin ergebe sich allerdings nicht nachvollziehbar, weshalb der BGH auf Grund des Übereinkommens den ursprünglichen Schiedsspruch erneut aufheben müsste, sollte die Verfassungsbeschwerde in dem Verfahren 2 BvR 557/19 erfolgreich sein.
Keine Auseinandersetzung mit Rechtsfolgen bei Anwendung des Übereinkommens
Diesbezüglich setze sie sich weder mit den Regelungen zu den abgeschlossenen oder anhängigen Schiedsverfahren noch mit der Frage auseinander, welches die möglichen Rechtsfolgen wären, wenn das mit dem Schiedsspruch zunächst abgeschlossene Verfahren nach Erfolg der Verfassungsbeschwerde wieder als anhängiges Schiedsverfahren im Sinne des Übereinkommens anzusehen wäre. Insoweit lege Art. 7 des Übereinkommens die Pflichten der Vertragsparteien im Hinblick auf anhängige Schiedsverfahren fest, während Art. 8 Übergangsmaßnahmen und Art. 9 ein Streitbeilegungsverfahren (strukturierter Dialog) vorsehe. Komme es in diesem nicht zu einer Einigung, eröffne Art. 10 des Übereinkommens unter bestimmten Möglichkeiten den Klageweg zu den nationalen Gerichten des Investitionsstaates. Die Antragstellerin lege auch nicht dar, weshalb mit diesen Verfahren ihren ausschließlich finanziellen Interessen nicht Rechnung getragen und eine mögliche Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG nicht weitgehend oder vollständig ausgeräumt werden könnte.