Im Streit um die Zwangsmitgliedschaft eines Ehepaars in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main haben die Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht eine Niederlage erlitten. Ihre Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2016 wurde nicht zur Entscheidung angenommen, wie aus dem am Mittwoch in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss hervorgeht. Der Fall beschäftigt die Gerichte schon seit vielen Jahren.
114.000 Euro Synagogensteuer
Das Paar war 2002 aus Frankreich zugezogen und hatte seine Religion beim Einwohnermeldeamt als "mosaisch" angegeben. Damit wurden beide für ein knappes Jahr automatisch Mitglieder der örtlichen Gemeinde – obwohl sie deren Ausrichtung als zu orthodox ablehnen. Die Gutverdiener sollten dafür rund 114.000 Euro Synagogensteuer zahlen.
Fall beschäftigt Gerichte schon lang
Beim BVerwG hatte das Paar 2010 zunächst Erfolg (BeckRS 2010, 55966). Aber das Verfassungsgericht hob dieses Urteil nach einer Beschwerde der Jüdischen Gemeinde 2014 auf (BeckRS 2015, 41129). Daran fühlte sich das BVerwG im zweiten Anlauf gebunden (NVwZ 2017, 65).
Grundrechte "nicht substantiiert dargelegt"
Nach der aktuellen Entscheidung der Verfassungsrichterinnen und -richter hätte das BVerwG den Fall durchaus freier prüfen dürfen. Die Eheleute hätten eine Verletzung ihrer Grundrechte aber "nicht substantiiert dargelegt", hieß es im Beschluss (BeckRS 2021, 12997).
Neuer Anlauf vor EGMR möglich
Das Paar hatte es parallel auch beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg versucht. Dieser hatte 2017 aber gemeint, dass erst das deutsche Verfassungsgericht entscheiden müsse. Möglicherweise könnten die Kläger nun einen neuen Anlauf unternehmen.
BVerfG, Beschluss vom 20.05.2021 - 2 BvR 2595/16
Redaktion beck-aktuell, 16. Juni 2021 (dpa).
Aus der Datenbank beck-online
BVerfG, Nichtannahmebeschluss: Zur Reichweite der Bindungswirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, insb zum Umfang der fachgerichtlichen Sachaufklärung nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache - hier: Angaben zur Konfession im Meldebogen und darauf gestützte Zugehörigkeit zu einer jüdischen Gemeinde - Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde mangels hinreichender Darlegung einer Grundrechtsverletzung, BeckRS 2021, 12997
BVerwG, Bindungswirkung von BVerfG-Entscheidungen - Mitgliedschaft in Religionsgemeinschaft, NVwZ 2017, 65 (m. Anm. Heusch)
BVerfG, Staatliche Anerkennung der Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft, BeckRS 2015, 41129
BVerwG, Angabe der Religionszugehörigkeit im Anmeldeschein, BeckRS 2010, 55966
Aus dem Nachrichtenarchiv
BVerwG bestätigt "automatische" Mitgliedschaft französischen Ehepaars in Frankfurter Jüdischer Gemeinde, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 22.09.2016, becklink 2004436