Islamischer Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach
Der Beschwerdeführer ist ein Landesverband für muslimische Gemeinden in Hessen, dessen Zweck unter anderem in der Pflege und Vermittlung des islamischen Glaubens besteht. Er wurde 2012 vom Hessischen Kultusministerium als Gesprächs- und Kooperationspartner für einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht in Hessen anerkannt. Der Unterricht wurde als ordentliches Lehrfach zum Schuljahr 2013/2014 eingeführt und seitdem in Kooperation mit dem Beschwerdeführer an insgesamt 51 Grundschulen und 12 weiterführenden Schulen in Hessen erteilt.
Staatlicher Unterricht nach Zweifeln an DITIB
Im April 2020 erklärte das Hessische Kultusministerium, die Vollziehung des Bescheids von 2012 zum Ende des laufenden Schuljahres 2019/2020 auszusetzen. Es bestünden Zweifel an der grundsätzlichen Eignung des Beschwerdeführers als Kooperationspartner für den bekenntnisgebundenen islamischen Religionsunterricht. Fraglich sei insbesondere, ob die für eine Kooperation notwendige Unabhängigkeit vom türkischen Staat vorhanden sei. Das Ministerium erklärte, dass bereits seit dem Schuljahr 2019/2020 ein Schulversuch eines rein staatlichen, bekenntnisfreien Islamunterrichts ohne Kooperation mit einer Religionsgemeinschaft laufe. Dieser solle ab dem Schuljahr 2020/2021 auch auf die Schulstandorte überführt werden, an denen der Beschwerdeführer bisher bekenntnisgebundenen Religionsunterricht anbiete.
Rechtsbehelfe vor den Verwaltungsgerichten erfolglos
Der Beschwerdeführer beantragte beim Verwaltungsgericht, das Land Hessen mit einstweiliger Anordnung "bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache" (1.) zu verpflichten, wie bisher in Kooperation mit dem Beschwerdeführer islamischen Religionsunterricht zu erteilen und (2.) dem Land zu untersagen, anstelle des in Kooperation mit ihm erteilten bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts staatlichen Islamunterricht zu erteilen. Das Verwaltungsgericht lehnte die Anträge als unzulässig ab. Der Verwaltungsgerichtshof wies die dagegen erhobene Beschwerde zurück.
BVerfG: Verletzung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz
Gegen die instanzgerichtlichen Entscheidungen hat der Verein Verfassungsbeschwerde erhoben, der vom Bundesverfassungsgericht stattgegeben wurde. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Die Gerichte hätten den Verpflichtungsantrag auf der Grundlage einer nicht mehr nachvollziehbaren Auslegung des Rechtsschutzbegehrens als unzulässig angesehen und dem vorläufigen Rechtsschutz so jede Effektivität genommen.
Anhängiges Hauptsacheverfahren nicht erforderlich
Das Verwaltungsgericht habe angenommen, der Beschwerdeführer mache die begehrte vorläufige Verpflichtung zur Fortsetzung des islamischen Religionsunterrichts davon abhängig, dass ein Hauptsacheverfahren anhängig sei. Da dies nicht der Fall gewesen sei, habe über den Antrag nicht entschieden werden können. Diese Auslegung des Antrags liege - so das Bundesverfassungsgericht - schon deshalb fern, weil der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO "schon vor Klageerhebung" gestellt werden könne. Der Beschwerdeführer habe überdies auf Nachfrage des Verwaltungsgerichts erklärt, mit der Formulierung "bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache" habe deutlich gemacht werden sollen, dass eine vorläufige und keine endgültige Regelung begehrt werde.
Antrag auch nicht gegen noch ausstehenden Verwaltungsakt gerichtet
Das Verwaltungsgericht habe ebenfalls zu unrecht angenommen, dass sich der Beschwerdeführer in der Hauptsache mit der Anfechtungsklage gegen einen noch ausstehenden belastenden Verwaltungsakt wende wolle, und mithin den Antrag zu unrecht als unzulässig abgewiesen. Der Antrag sei nach seinem klaren Wortlaut auf eine sofortige, vorläufige Verpflichtung zur Fortführung des islamischen Religionsunterrichts gerichtet. Weshalb es dem Beschwerdeführer stattdessen um vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Verwaltungsakt gehen sollte, dessen Erlass noch nicht einmal absehbar ist, sei schlicht nicht nachvollziehbar, zumal der Beschwerdeführer bis dahin die faktische Aussetzung des erteilten islamischen Religionsunterrichts hinnehmen müsste.
Antrag zielt nicht auf Exklusivität der Kooperation ab
Auch der Antrag auf Untersagung der Erteilung staatlichen Islamunterrichts hätte nicht versagt werden dürfen. Schon nach dem eindeutigen Wortlaut dieses Antrags gehe es dem Beschwerdeführer offensichtlich nicht - wie vom Verwaltungsgericht irrtümlich angenommen - darum, dass in Hessen Schulunterricht, der den Islam zum Gegenstand hat, ausschließlich in Kooperation mit ihm erfolgen dürfe. Vielmehr wende er sich allein gegen die Ersetzung des bisherigen, in Kooperation mit ihm eingerichteten und angebotenen islamischen Religionsunterrichts durch einen in staatlicher Regie durchgeführten Islamunterricht. Auch insofern liege eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vor.
VGH hat Darlegungsanforderungen überspannt
Schließlich gehe der Verwaltungsgerichtshof in sachlich nicht mehr vertretbarer Weise davon aus, der Beschwerdeführer könne sich bereits nicht auf eine schutzwürdige Position berufen, da er nicht hinreichend dargetan habe, dass der staatliche Islamunterricht ebenfalls als bekenntnisgebundener Religionsunterricht ausgestaltet sei. Damit habe der Verwaltungsgerichtshof die Darlegungsanforderungen überspannt. In einem Elterninformationsschreiben sei darauf hingewiesen worden, dass sich der Islamunterricht von dem islamischen Religionsunterricht nicht unterscheide und daher auch die gleichen Lehrmaterialien benutzt würden. Wenn der Verwaltungsgerichtshof gleichwohl bereits die Antragsbefugnis wegen fehlender Auseinandersetzung mit den auf der Internetseite des Landes veröffentlichten Kerncurricula für das Schulfach Islamunterricht verneine, erschwere er den Zugang zu einer gerichtlichen Sachprüfung in unzumutbarer Weise.
Unterlassungsantrag zielt auf Trennung ab
Der VGH habe bei seiner Auslegung des Rechtsschutzbegehrens außerdem außer Acht gelassen, dass es dem Beschwerdeführer schon nach dem Wortlaut des Unterlassungsantrags vor allem um eine auch nach außen klar erkennbare Trennung des staatlichen Islamunterrichts von dem zuvor in Übereinstimmung mit seinem Glaubensbekenntnis erteilten islamischen Religionsunterricht geht.