Cum-Ex-Geschäfte: Warburg mit Verfassungsbeschwerde gegen Millionen-Einziehung erfolglos
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Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde der Warburg Bank gegen die Einziehung von etwa 176,5 Millionen Euro wegen Cum-Ex-Geschäften nicht zur Entscheidung angenommen. Die strafgerichtliche Einziehung sei trotz möglicher Verjährung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Übergangsregelung in Art. 316j EGStGB habe zwar echte Rückwirkung. Sie sei aber durch überragende Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt, so das BVerfG in seinem Beschluss vom 07.04.2022.

Einziehung von 176,5 Millionen Euro gegen Warburg Bank angeordnet

Im März 2020 verurteilte das Landgericht Bonn zwei Aktienhändler in einem Strafverfahren um Cum-Ex-Geschäfte wegen mehrerer Steuerhinterziehungsdelikte zu Bewährungsstrafen. Gegen die Warburg Bank ordnete es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von etwa 176,5 Millionen Euro an. Die Strafkammer stellte fest, die Bank habe sich in den Jahren 2007 bis 2011 im Wege des Eigenhandels an Cum-Ex-Geschäften beteiligt. Die Revision der Bank blieb ohne Erfolg. Laut Bundesgerichtshof war die Einziehung trotz möglicher Verjährung der Ansprüche aufgrund der durch das Jahressteuergesetz 2020 neu eingeführten Regelung des § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB und der Übergangsvorschrift des Art. 316j EGStGB zulässig. Die Bank sah das Rückwirkungsverbot verletzt und legte Verfassungsbeschwerde ein.

Neue Regelung zur Einziehung bei Verjährung und Übergangsregelung

Die §§ 73 ff. StGB regeln die Einziehung von Taterträgen. Nach § 73e Abs. 1 StGB ist die Einziehung ausgeschlossen, soweit der Anspruch, der dem Verletzten aus der Tat erwachsen ist, erloschen ist. Ist der Anspruch aber durch Verjährung erloschen, erlaubt § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB in der seit dem 29.12.2020 geltenden Fassung dennoch die Einziehung. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 316j EGStGB ist die Einziehung nach § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB in bestimmten Fällen auch für Taten möglich, die vor dem 29.12.2020 begangen wurden. Das gilt unter anderem für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO.

BVerfG: Echte Rückwirkung durch überragende Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt

Das BVerfG (Az.: 2 BvR 2194/21) hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Die Regelung zur Einziehung bei Verjährung in § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB und die Übergangsregelung in Art. 316j EGStGB seien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Art. 316j Nr. 1 EGStGB habe zwar echte Rückwirkung. Ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot liege aber dennoch nicht vor, weil die angeordnete Rückbewirkung von Rechtsfolgen ausnahmsweise zulässig sei. Sie sei durch überragende Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt.

Interesse der Allgemeinheit an Vermögensabschöpfung vorrangig

Der Gesetzgeber habe mit der in Art. 316j Nr. 1 EGStGB enthaltenen Erstreckung der Wirkung des § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB n. F. auch auf Fälle, in denen steuerrechtliche Verjährung bereits eingetreten war, ausweislich der Gesetzesmaterialien das Ziel, durch Steuerhinterziehungen in großem Ausmaß eingetretene, in die Gegenwart fortwirkende Störungen der Vermögensordnung zu beseitigen und so der Rechtsgemeinschaft zu verdeutlichen, dass sich Straftaten nicht lohnen. Dieses Ziel sei legitim und überragend wichtig. Das Interesse der Allgemeinheit gehe dem Interesse der Betroffenen, durch Steuerdelikte erlangte Vermögenswerte nach Eintritt der steuerrechtlichen Verjährung behalten zu dürfen, vor.

Vertrauen in Fortbestand unredlich erworbener Rechte nicht schutzwürdig 

Da der deliktische Erwerbsvorgang durch den Eintritt der steuerrechtlichen Verjährung von der staatlich verfassten Gemeinschaft nicht nachträglich gebilligt werde, bleibe auch das auf diese Weise erworbene Vermögen weiterhin mit dem Makel deliktischer Herkunft behaftet. Die fortwährende Bemakelung von Vermögenswerten infolge strafrechtswidrigen Erwerbs stelle eine Ausprägung des allgemeinen Prinzips dar, dass das Vertrauen in den Fortbestand unredlich erworbener Rechte grundsätzlich nicht schutzwürdig sei. Letztlich nicht schutzwürdig sei in derartigen Fällen nicht nur der bereicherte Straftäter selbst, sondern auch der Drittbereicherte, soweit dieser nicht gutgläubig eigene Dispositionen im Vertrauen auf die Beständigkeit seines Vermögenserwerbs getroffen habe.

BVerfG, Beschluss vom 07.04.2022 - 2 BvR 2194/21

Redaktion beck-aktuell, 29. April 2022.