Bundestag darf Wahlprüfungsbeschwerde nicht beitreten
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Der Bundestag kann dem Wahlprüfungsbeschwerdeverfahren der CDU/CSU-Fraktion betreffend das Wahlgeschehen im Land Berlin anlässlich der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag am 26.09.2021 nicht beitreten. Das Bundesverfassungsgericht erklärte den Beitritt für unzulässig. Damit sei auch das damit verbundene Ablehnungsgesuch des Bundestages gegen Verfassungsrichter Peter Müller wegen Befangenheit gegenstandslos, entschied das BVerfG. 

Mit ihrer Wahlprüfungsbeschwerde wendet sich die CDU/CSU-Fraktion gegen einen Beschluss des Bundestages vom 10.11.2022, wonach die Bundestagswahl lediglich teilweise wiederholt wird. Betroffen sind 327 der 2.256 Wahlbezirke der Hauptstadt sowie 104 der 1.507 Briefwahlbezirke. Die mündliche Verhandlung hierzu findet am 18. und 19.07.2023 statt. Der Bundestag hatte erklärt, dem Verfahren beizutreten und Verfassungsrichter Müller wegen Befangenheit abzulehnen. Es gehe um "prozessuale Waffengleichheit".

Müller, der Berichterstatter in dem Verfahren ist, hatte sich im "F.A.Z. Einspruch Podcast" zum Berliner Wahlgeschehen geäußert. Unter anderem sagte er, eine Situation wie in Berlin "hätte man sich vor einigen Jahrzehnten in einem diktatorischen Entwicklungsland vorstellen können, aber nicht mitten in Europa, mitten in Deutschland." Bei der Wahl am 26.09.2021 hatte es in vielen Berliner Wahllokalen lange Schlangen und Wartezeiten, falsche oder fehlende Stimmzettel gegeben. Wahllokale mussten vorübergehend schließen oder blieben bis weit nach 18.00 Uhr geöffnet. 

Beitritt unzulässig

Das BVerfG schloss den Beitritt des Deutschen Bundestages nun als unzulässig aus. Es fehle an einer gesetzlichen Regelung des Beitritts im Wahlprüfungsbeschwerdeverfahren gemäß § 48 BVerfGG. Eine analoge Anwendung sonstiger Beitrittsregelungen des BVerfGG komme wegen des Fehlens sowohl einer unbeabsichtigten Regelungslücke als auch vergleichbarer Tatbestände nicht in Betracht, so der Zweite Senat.

Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen sei es nicht angezeigt, einen Beitritt im Wahlprüfungsbeschwerdeverfahren zuzulassen. Es fehle an einem dahingehenden offenkundigen Bedürfnis. Denn Gegenstand der Wahlprüfungsbeschwerde sei die objektive Überprüfung der Entscheidung des Bundestages. Daher entstehe keine kontradiktorische Verfahrenssituation, in der dem Urheber der angegriffenen Entscheidung die Möglichkeit einzuräumen wäre, diese als Verfahrensbeteiligter zu verteidigen.

Mangels zulässigen Beitritts und weil eine Entscheidung über die Besorgnis der Befangenheit eines Richters von Amts wegen nicht zulässig ist, sei eine solche Entscheidung mit Blick auf Richter Müller nicht veranlasst. Gleichwohl bleibe der Bundestag als Urheber des angegriffenen Beschlusses vom 10.11.2022 an dem Verfahren beteiligt, stellte das BVerfG klar. Neben der Beschwerde der Union liegen laut einem Gerichtssprecher 61 weitere mit Bezug auf die Bundestagswahl vor, darunter eine der AfD.

BVerfG, Beschluss vom 05.07.2023 - 2 BvC 4/23

Redaktion beck-aktuell, Gitta Kharraz, 12. Juli 2023 (ergänzt durch Material der dpa).