Bre­mi­sche Re­ge­lung zur Stu­di­en­platz­ka­pa­zi­tät ist ver­fas­sungs­ge­mäß
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Die im  Bre­mi­schen Hoch­schul­zu­las­sungs­ge­setz (BremHZG) vor­ge­se­he­ne Be­rech­nung der Stu­di­en­ka­pa­zi­tät unter Ein­be­zie­hung aller tat­säch­lich be­setz­ten Stel­len ist ver­fas­sungs­ge­mäß. Wird eine Uni­ver­si­tät den­noch ver­pflich­tet, mehr Stu­die­ren­de auf­zu­neh­men als es ihre Ka­pa­zi­tät er­laubt, ver­letzt dies laut Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ihre Wis­sen­schafts­frei­heit. Es be­ein­träch­ti­ge sie in ihrer Ge­stal­tungs­frei­heit in der Lehre und im Ein­satz ihrer Res­sour­cen.

Wis­sen­schafts­frei­heit ver­letzt?

Die staat­li­che Uni­ver­si­tät des Lan­des Bre­men wehr­te sich gegen drei im Eil­ver­fah­ren ge­fass­te Be­schlüs­se des OVG Bre­men aus dem Jahr 2017. Die­ses hatte – im Un­ter­schied zum dor­ti­gen VG – die Lehr­an­stalt ver­pflich­tet, drei wei­te­re Stu­di­en­be­wer­ber im zu­las­sungs­be­schränk­ten Ba­che­lor­stu­di­en­gang Psy­cho­lo­gie vor­läu­fig zum Stu­di­um zu­zu­las­sen. Das OVG ging davon aus, dass die dor­ti­ge "Ka­pa­zi­tät" nicht er­schöpft sei, die Uni also mehr Stu­die­ren­de auf­neh­men könne als getan. Es hielt die Norm des § 2 Abs. 2 Satz 2 BremHZG, wo­nach sich die Ka­pa­zi­tät an den kon­kret Leh­ren­den ori­en­tie­re ("kon­kre­tes Stel­len­prin­zip"), für un­an­wend­bar wegen eines Ver­sto­ßes gegen Art. 12 GG und be­rech­ne­te die Zah­len nach dem abs­trak­ten Stel­len­plan. Die Zahl der Stu­di­en­plät­ze sei daher höher als die­je­ni­ge, die auf die­ser Grund­la­ge be­rech­net und vom VG be­stä­tigt wor­den sei. Die Hoch­schu­le sah sich in ihrer Wis­sen­schafts­frei­heit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ver­letzt.

Kon­kre­tes Stel­len­prin­zip ist ma­ß­ge­bend

Dem BVerfG zu­fol­ge ver­let­zen die Be­schlüs­se des OVG die Be­schwer­de­füh­re­rin in ihrem Grund­recht aus Ar­ti­kel 5 Abs. 3 Satz 1 GG, indem es sie ver­pflich­tet habe, mehr Stu­die­ren­de auf­zu­neh­men als es ihre Ka­pa­zi­tät er­lau­be. Die in den an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dun­gen nicht zur An­wen­dung ge­brach­te Re­ge­lung des § 2 Abs. 2 Satz 2 BremHZG sei ver­fas­sungs­ge­mäß. Es halte sich mit der Vor­ga­be einer Be­rech­nung der Stu­di­en­platz­ka­pa­zi­tä­ten nach dem "kon­kre­ten Stel­len­prin­zip" in dem Spiel­raum, der dem Ge­setz­ge­ber zur Aus­ge­stal­tung des Hoch­schul­stu­di­ums unter Be­rück­sich­ti­gung und zum Aus­gleich aller be­trof­fe­nen Grund­rech­te zur Ver­fü­gung stehe. Das Prin­zip stehe nicht im Wi­der­spruch zum ver­fas­sungs­recht­li­chen Gebot der Ka­pa­zi­täts­aus­schöp­fung, das wie­der­um die In­ter­es­sen von Stu­di­en­in­ter­es­sier­ten, Stu­die­ren­den und Leh­ren­den an den Hoch­schu­len in Aus­gleich brin­ge.

Ge­stal­tungs­frei­heit ist ein­ge­schränkt

Das Zu­las­sungs­recht be­ein­träch­tigt dem BVerfG zu­fol­ge in­so­fern die Ge­stal­tungs­frei­heit der Hoch­schu­len in der Lehre und im Ein­satz ihrer Res­sour­cen, weil es sie zur Auf­nah­me von Stu­die­ren­den unter Er­schöp­fung ihrer Ka­pa­zi­tä­ten ver­pflich­tet. Es wirke sich ins­be­son­de­re auf die Größe von Lehr­ver­an­stal­tun­gen aus, was wie­der­um Aus­wir­kun­gen auf die me­tho­disch-di­dak­ti­sche Ge­stal­tung der Lehre habe. Damit werde auch die Frei­heit der Hoch­schu­le, über die Größe der Ver­an­stal­tun­gen selbst zu ent­schei­den, ein­ge­schränkt.

BVerfG, Beschluss vom 07.11.2022 - 1 BvR 655/17

Redaktion beck-aktuell, 2. Februar 2023.

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