Drei Vereinsverbote
Die drei Vereine wurden auf Grundlage des Vereinsgesetzes (VereinsG) verboten. Der Verein Internationale Humanitäre Hilfsorganisation e. V. (IHH) wurde wegen mittelbarer Unterstützung der als terroristisch eingestuften Organisation "Hamas" durch die Weiterleitung von Spenden verboten. Der Verein habe sich damit gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet. Dem Verein Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. (HNG) wurde vorgeworfen, er habe mit einer Vereinszeitschrift inhaftierte Rechtsextremisten in ihrer Haltung gegen Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland bestärkt. Damit habe er sich aktiv-kämpferisch gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet und laufe den Strafgesetzen zuwider. Der Verein Hells Angels MC Charter Westend Frankfurt am Main wurde wegen Unterstützung seiner Mitglieder in der Begehung von Straftaten verboten. Die drei Vereine beschritten gegen die Verbotsverfügungen des Bundesinnenministeriums beziehungsweise des hessischen Innenministeriums jeweils erfolglos den Verwaltungsrechtsweg. Ihre Verfassungsbeschwerden wandten sich gegen die Verbotsverfügungen und die diese bestätigenden Gerichtsentscheidungen sowie mittelbar gegen die Verbotsvorschrift im Vereinsgesetz.
BVerfG: IHH völkerverständigungswidrig ausgerichtet
Das BVerfG hat die Vereinsverbote bestätigt. Die angegriffenen Entscheidungen der Verbotsbehörden und der Fachgerichte seien ebenso wie die Ermächtigungsgrundlage für Vereinsverbote in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Verbot des Vereins IHH sei nicht zu beanstanden. Das BVerfG führt aus, dass die Verbotstatbestände des Art. 9 Abs. 2 GG eng zu verstehen seien. Den Verbotstatbestand des Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG erfülle eine Vereinigung, wenn sie Gewalt oder vergleichbar schwerwiegende völkerrechtswidrige Handlungen wie den Terrorismus in den internationalen Beziehungen oder zwischen Teilen der Bevölkerung aktiv propagiert und fördert. Das könne auch durch die Förderung Dritter geschehen, wenn diese objektiv geeignet ist, den Gedanken der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig zu beeinträchtigen, und die Vereinigung dies weiß und zumindest billigt. Dabei dürfe durch Vereinigungsverbote nicht jede Form humanitärer Hilfe in Krisengebieten wegen ihrer mittelbar den Terrorismus fördernden Effekte unterbunden werden. Das Verbot der IHH genüge diesen Anforderungen.
Auslegung des BVerwG nicht zu beanstanden
Laut BVerfG ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der eine Vereinigung die Verbotsvoraussetzungen erfüllt, wenn sie durch finanzielle Zuwendungen über einen langen Zeitraum und in beträchtlichem Umfang eine Organisation unterstützt, die wiederum zu einer Organisation gehört, die Gewalt in das Verhältnis der Völker hineinträgt, ihr dies bekannt ist und sie sich mit dieser Organisation und den von ihr ausgehenden Gewalttaten identifiziert, mit den Anforderungen des Art. 9 Abs. 2 GG vereinbar.
Spenden-Weiterleitung an Sozialvereine der Terrororganisation Hamas
Die IHH habe nach den Feststellungen des BVerwG in erheblichem Umfang Spenden an Sozialvereine weitergeleitet, die der Hamas zuzuordnen seien, und dadurch eine völkerverständigungswidrige Organisation gefördert. Die Hamas missachte elementare Grundsätze des Völkerrechts, wozu insbesondere das völkerrechtliche Gewaltverbot und die Ablehnung des Terrorismus gehörten. Sie werde von der Europäischen Union als eine an terroristischen Handlungen beteiligte Vereinigung eingestuft, arbeite auf der Grundlage einer antisemitischen Charta und akzeptiere weder das Gewaltverbot noch lokale Friedensabkommen.
Mittelbare Terrorförderung durch Spenden kann für Verbot ausreichen
Nach Auffassung des BVerfG ist diese Ausrichtung gegen die Völkerverständigung dem IHH zuzurechnen. Ein Vereinigungsverbot könne auch greifen, wenn die Völkerverständigung mittelbar gefährdet wird, indem Spenden den Terror förderten. Hier habe die verbotene Vereinigung gewusst, wofür die Hamas gestanden habe und habe zumindest gebilligt, dass die Spenden geeignet waren, den Gedanken der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig zu beeinträchtigen.
Verbot auch verhältnismäßig
Im Ergebnis sei auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt, so das BVerfG weiter. Er zwinge zu einem engen Verständnis der Verbotsgründe. Dem trügen die Fachgerichte Rechnung, weil sie verlangen, dass Vereinigungen von den verbotswidrigen Zwecken geprägt sein müssen, um ein Verbot zu rechtfertigen, also auch keine milderen Mittel in Betracht kommen, um die in Art. 9 Abs. 2 GG benannten Rechtsgüter zu schützen.
Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes steht Verbot nicht entgegen
Das Vereinsverbot stehe mit den grundrechtlichen Maßgaben auch unter Berücksichtigung der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes im Einklang, fährt das BVerfG fort. Ein Handeln mit humanitärer Zielsetzung falle nur dann unter den Tatbestand des Vereinsverbots, wenn es unmittelbar eine Organisation unterstützt, deren Tätigkeiten die völkerverständigungswidrige Betätigung einer anderen Organisation fördere, die Hilfeleistungen aber auch selbst das Gebot der Neutralität verletzten. Wann dies der Fall sei, ergebe sich aus den Regelungen des Völkerrechts für die Leistung humanitärer Hilfe in Konflikten, deren Wertungen das BVerwG nicht verkannt habe.
Rechtsextreme HNG verfassungsfeindlich ausgerichtet
Das Verbot des Vereins Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. (HNG) erachtet das BVerfG für verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil sich der Verein im Sinne des Art. 9 Abs. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte und den Strafgesetzen zuwiderlaufe. Die Feststellung der Verbotsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichts, dass sich der Verein in kämpferisch-aggressiver Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Verein stelle elementare Grundsätze der "verfassungsmäßigen Ordnung" im Sinn des Art. 9 Abs. 2 GG in Frage. Er wende sich gegen die Menschenrechte, Kernelemente der Rechtsstaatlichkeit und demokratische Grundsätze. Seine regelmäßigen Publikationen verdeutlichten die Nähe und das ausdrückliche Bekenntnis zu Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil des Nationalsozialismus, zu Antisemitismus und Rassenlehre, zur damaligen NSDAP und deren maßgeblichen Funktionsträgern, der Verein bezeichne die Bundesrepublik als "korrupt" und "verkommen", "aufgezwungen" und "schandhaft" und wünsche der Demokratie "den Untergang".
Keine bloße Äußerung einer politischen Überzeugung
Das Verbot stütze sich zudem darauf, dass die Fundamente der demokratischen Verfassungsstaatlichkeit des Grundgesetzes nicht nur abgelehnt und verächtlich gemacht, sondern aktiv "untergraben" würden und zum Kampf gegen sie aufgerufen werde, so das BVerfG weiter. Der präventive Charakter des Art. 9 Abs. 2 GG als Teil der wehrhaften Demokratie des Grundgesetzes erlaube ein Vereinigungsverbot schon vor dem Einsatz von Gewalt, aber nicht nur aufgrund einer politischen Überzeugung, sondern erst bei Vorliegen einer den Verein prägenden kämpferisch-aggressiven Haltung. Dabei komme es nicht darauf an, wie wirksam die Vereinigung sei. Anders als für ein Verbot einer politischen Partei (Art. 21 GG) genügten für das Verbot einer Vereinigung daher auch Aktivitäten, die sich gegen elementare Bestandteile der verfassungsmäßigen Ordnung in einzelnen Gemeinden oder sonst "abgegrenzten Sozialräumen" richteten. Entscheidend sei, ob das Gesamtbild der Vereinigung mit ihrer formellen und tatsächlichen Zwecksetzung, ihrer erkennbaren Haltung, ihrer Organisation und den Tätigkeiten der Organe und Mitglieder den Verbotstatbestand verwirkliche. Das sei hier angesichts der Äußerungen führender Mitglieder des Vereins der Fall.
HNG greift verfassungsmäßige Ordnung auch kämpferisch-aggressiv an
Danach müsse man "nationale Freiräume" schaffen, "gegen das Rattensystem" kämpfen, "niemals kapitulieren", werde dabei "nicht ohne Gewalt auskommen". Nach den Feststellungen des Gerichts ist die Kommunikation des Vereins mit extremistisch geprägten Gefangenen zudem darauf angelegt gewesen, diese zu radikalisieren, um nach der Haftentlassung wieder einschlägige Straftaten zu begehen. Auch habe die Vereinszeitschrift unter anderem dazu aufgerufen, "die Namen von Staatsanwälten, Einsatzleitern der Polizei oder Richtern" zu nennen, damit diese später einmal "zur Rechenschaft gezogen" werden könnten und drohe so staatlichen Amtsträgern wegen der Ausübung ihres Amtes. Das Handeln des Vereins gehe damit über eine bloße politische Gesinnung hinaus. Die Förderung von Straftaten und die aggressive Bekämpfung von elementaren Verfassungsgrundsätzen könne daher ein Verbot der Vereinigung nach Art. 9 Abs. 2 GG rechtfertigen.
Verbot mit Meinungsfreiheit und Diskriminierungsverbot vereinbar
Laut BVerfG begegnet ein Verbot, das an solche Äußerungen anknüpft, weder hinsichtlich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) noch hinsichtlich des Verbots der Diskriminierung aufgrund der politischen Anschauung (Art. 3 Abs. 3 Satz 1) GG verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Verein sei nicht wegen einer als rechtsextremistisch bewerteten Meinung oder wegen seiner politischen Anschauung verboten worden, sondern weil er sich nach außen kämpferisch-aggressiv gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Das Grundgesetz schütze die Kernelemente demokratischer Verfassungsstaatlichkeit gegen Angriffe von innen, die über die politische Debatte hinausgingen, indem sie deren Voraussetzungen selbst zu zerstören suchten. Mit dem Bekenntnis zur NS-Herrschaft verbinde sich nicht nur eine politische Haltung, und das Verbot wende sich insofern auch nicht generell gegen eine zustimmende Bewertung einzelner Maßnahmen des nationalsozialistischen Regimes. Verbotsgrund sei vielmehr die Identifikation mit dessen gewalttätigen Mitteln, die eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zum Ausdruck bringe.
Kein milderes Mittel
Das Vereinigungsverbot ist auch verhältnismäßig. Der HNG sei von der Ausrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung wesentlich geprägt. Es sei nicht in Betracht gekommen allein gegen die Äußerungen des Vereins vorzugehen.
HNG auch strafgesetzwidrig
Das BVerfG erachtet auch die Entscheidungen der Verbotsbehörde und des BVerwG, ein Verbot auch deshalb auszusprechen, weil Zwecke und Tätigkeiten des HNG den Strafgesetzen zuwiderliefen (Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG), für verfassungsgemäß. Das Verbot stütze sich nicht auf allgemeine Vermutungen, sondern auf konkrete Anhaltspunkte, die es verfassungsrechtlich tragfähig rechtfertigen könnten. Der Verein habe darauf gezielt, Strafgefangene in ihrer Einstellung zu Straftaten insbesondere unter Einsatz von Gewalt zu bestärken. Das Gericht lege nachvollziehbar dar, der Verein wolle die "fanatisch-aggressive Grundhaltung" der Gefangenen festigen, von denen daher weitere Straftaten zu erwarten seien und in der Zeitschrift der Vereinigung auch als solche angekündigt würden.
Verhalten der Strafgefangenen HNG zuzurechnen
Dem HNG hätten Handlungen von Mitgliedern und von Dritten zugerechnet werden können. Das BVerwG habe davon ausgehen können, dass nach der Satzung ein ausgewählter Kreis von Straftätern nicht nur unterstützt, sondern dessen Einstellung aufrechterhalten und gefestigt werden sollte. Auch das Verhalten Dritter sei zu berücksichtigen, wenn sie hier wie Mitglieder von der Vereinigung getragen werden. Zwar handelten die Strafgefangenen nicht von der Vereinigung "beherrscht" als Werkzeuge der Vereinigung, doch werde ihr Handeln erkennbar gefördert, indem der HNG diese Straftäter und deren Straftaten glorifiziert und sich mit ihnen identifiziert.
Kein milderes Mittel
Das Verbot genüge auch hinsichtlich dieses Verbotsgrundes den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit. Nach den tatsächlichen Feststellungen sei verfassungsrechtlich tragfähig davon auszugehen, dass keine milderen, gleich wirksamen Mittel vorlagen.
Hells Angels Charter wegen strafrechtswidriger Prägung zu Recht verboten
Auch die Verfassungsbeschwerde des Vereins Hells Angels MC Charter Westend Frankfurt am Main hat das BVerfG für unbegründet erachtet. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof gehe im Einklang mit den Wertungen des Art. 9 Abs. 2 GG davon aus, dass Zwecke und Tätigkeiten des Vereins den Strafgesetzen zuwiderlaufen. Er stelle im Einklang mit verfassungsrechtlichen Anforderungen fest, dass das Verbot gerechtfertigt ist, weil eine besondere Gefahr der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerade durch die Organisation zum Ausdruck komme und kein milderes Mittel zur Beseitigung dieser Gefahr bestehe. Das Gericht stelle darauf ab, dass die straffälligen Mitglieder immer wieder geschlossen als Vereinigung aufgetreten seien, sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten dargestellt hätten und die Vereinigung das jedenfalls hingenommen habe. Dafür habe er die Aufnahmeverfahren und die identitätsstiftende Kleidung sowie die ausdrückliche Distanzierung von der Bindung an staatliches Recht berücksichtigen können.
Straftaten gedeckt und gebilligt: Taten dem Verein daher zuzurechnen
Der VGH habe dem Verein auch Taten straffälliger Mitglieder zurechnen dürfen, da er diesen Rückhalt bot, sie deckte und ihnen den Eindruck vermittelte, dass er ihr Handeln begrüße oder zumindest billigte. Zwar stellten Besuche von Mitgliedern einer Vereinigung im Strafvollzug für sich genommen keinen Verbotsgrund dar. Hier habe die Art und Weise der Besuche jedoch eine planmäßige Struktur belegt, denn sie seien gezielt von Leitungspersonen des Vereins ausgeführt und geschäftsmäßig konzipiert worden. Sie sollten über "das Maß üblicher Freundschaftsdienste" und jenseits von Resozialisierungszwecken die begangenen Straftaten vereinsöffentlich gutheißen. Das Vereinsverbot reagiere damit auf die Eigendynamik der Organisation, also genau auf die spezifische Gefahr, die vom Handeln als Vereinigung ausgeht, und auf die Art. 9 Abs. 2 GG ziele.
Verbot auch verhältnismäßig
Das Verbot sei auch verhältnismäßig. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof dem Verein mehrere erhebliche Straftaten konkret zurechnet und damit eine strafrechtswidrige Prägung des Vereins bejaht, weshalb mildere Mittel, die das Ziel des Art. 9 Abs. 2 GG ebenso wirksam erreichen könnten, nicht in Betracht gekommen seien.
Verbotsgrundlage bei verfassungskonformer Auslegung nicht zu beanstanden
Auch soweit sich die Verfassungsbeschwerden mittelbar gegen die Ermächtigungsgrundlage für Vereinsverbote in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG richten, sind sie laut BVerfG unbegründet. Zwar fehle der gesetzlichen Regelung ein ausdrücklicher Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, obwohl diese auch im Rahmen des Art. 9 Abs. 2 GG zu beachten sei. Den rechtsstaatlichen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit könne jedoch durch Auslegung Rechnung getragen werden. Die Verbotsregelung sperre nicht den Einsatz milderer Mittel, wenn dadurch ein Vereinigungsverbot im Hinblick auf Zweck, Tätigkeit oder Ausrichtung entbehrlich wird. Materiell folge die Ermächtigungsgrundlage der Vorgabe aus Art. 9 Abs. 2 GG und gehe nicht darüber hinaus. Sie halte sich im gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum und sei hinreichend klar bestimmt. Daran fehle es nicht schon, weil eine Norm auslegungsbedürftig ist. Ungewissheiten dürften nur nicht so weit gehen, dass Vorhersehbarkeit und Justitiabilität des Handelns der ermächtigten staatlichen Stellen gefährdet sind. Dafür sei hier nichts ersichtlich.