Bericht über Steuersparmodelle maltesischer Yachtfirmen war freie Meinungsäußerung

Das Bundesverfassungsgericht hat der Verfassungsbeschwerde einer Zeitschriftenverlegerin stattgegeben, die nach einem Bericht über Steuersparmodelle maltesischer Yachtfirmen von den Instanzgerichten zum Abdruck einer Gegendarstellung verurteilt worden war. In seinem Beschluss hat das Gericht klargestellt, dass es sich bei dem umstrittenen Bericht um eine von der Pressefreiheit geschützte Meinungsäußerung handelt.

Maltesische Yachtfirma verklagte Zeitschrift

Die Beschwerdeführerin veröffentlichte einen Artikel, der sich mit Steuersparmodellen im Zusammenhang mit maltesischen Gesellschaften deutscher Unternehmen und Privatpersonen befasst. Es wird unter anderem darüber berichtet, dass der Antragsteller des Ausgangsverfahrens eine Firma im Firmenregister in Malta eintragen ließ, deren Geschäftszweck insbesondere der Kauf, Betrieb, Verleih und Bau von “Schiffen jeder Art“ sei. Zudem wird unter anderem erklärt, dass es ein “paar naheliegende Gründe [gebe], nach Malta zu gehen, wenn die Firma das Wort “Yachting“ im Namen trägt“. Mit Blick auf die Praxis in Malta könnte es dabei auch um Steueroptimierung und Steuerersparnis gehen. Nach Ansicht des Antragstellers wurden Sachverhalte unterstellt, die nicht zutrafen.

Instanzgerichte verlangten Gegendarstellung

Die Beschwerdeführerin wurde daraufhin von den Fachgerichten zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung verurteilt. Es handele sich bei der wiedergegebenen Aussage nicht um eine erkennbar subjektive Einschätzung der Beschwerdeführerin, sondern um eine Tatsachenbehauptung. Unter Mitteilung objektiver Tatsachen werde der tatsächliche Verdacht zum Ausdruck gebracht, der Antragsteller habe die Gesellschaft auf Malta gegründet, um Mehrwertsteuer zu sparen. Damit treffe die Beschwerdeführerin eine Aussage über die angebliche Motivation des Antragstellers, die dem Beweis zugänglich sei. Die Beschwerdeführerin druckte die Gegendarstellung ab, rügte aber mit ihrer Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihres Grundrechts auf Pressefreiheit.

BVerfG: Werturteil statt Tatsachenbehauptung

Das Bundesverfassungsgericht hat der Verfassungsbeschwerde stattgegeben. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Fachgerichte hätten die Bedeutung und Tragweite der Pressefreiheit nicht hinreichend berücksichtigt. Gegendarstellungsfähig sei nur eine Tatsachenbehauptung der Presse. Entgegen der Entscheidung der Fachgerichte handele es sich bei der streitgegenständlichen Passage nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um ein Werturteil, welches nicht gegendarstellungsfähig sei.

Weites Verständnis des Meinungsbegriffs

Für die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil komme es entscheidend auf den Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an. Grundsätzlich sei dabei von einem weiten Verständnis des Meinungsbegriffs auszugehen. Eine Äußerung falle auch dann in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, wenn eine nicht trennbare Mischung vorliege, bei der der tatsächliche Gehalt gegenüber der Wertung in den Hintergrund trete. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden. Im Zweifel sei im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes davon auszugehen, dass es sich um eine Meinungsäußerung handele.

Beanstandete Textpassagen als freie Meinungsäußerung zu werten

Dem beanstandeten Text sei keine Tatsachenbehauptung dahin zu entnehmen, der Antragsteller des Ausgangsverfahrens habe eine maltesische Gesellschaft gegründet, um Steuern zu sparen, so die Verfassungsrichter weiter. Es handele sich um eine Meinungsäußerung der Beschwerdeführerin dahin, dass unstreitig in Malta bestehende Steuervorteile bei der vom Antragsteller in Malta gegründeten Gesellschaft eine Rolle gespielt haben könnten. Jedenfalls könnte ein Zusammenhang zwischen unstreitigen Steuervorteilen und dem Umstand bestehen, dass der Antragsteller Hauptgesellschafter einer maltesischen Limited sei, die den Begriff “Yachting“ im Gesellschaftsnamen führt. Die gegenständliche Passage sei von Elementen der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt. Die Beschwerdeführerin leite aus den konkret dargelegten Umständen und der Nähe zu Gesellschaftsgründung und Steuervorteilen diese Vermutung ab. Dass ihr unbekannt war, ob die Gesellschaft für den Erwerb einer Jacht und damit für "ein Steuerschnäppchen" gegründet wurde, habe sie offen mitgeteilt.

BVerfG, Beschluss vom 09.12.2020 - 1 BvR 704/18

Redaktion beck-aktuell, 28. Januar 2021.