BVerfG: Be­grenz­te Über­füh­rung in der DDR er­wor­be­ner Ren­ten­an­sprü­che durch Stasi-An­ge­hö­ri­ge ver­fas­sungs­kon­form

Die nur be­grenz­te Über­füh­rung von An­sprü­chen und An­wart­schaf­ten aus dem Son­der­ver­sor­gungs­sys­tem des Mi­nis­te­ri­ums für Staats­si­cher­heit in die ge­setz­li­che Ren­ten­ver­si­che­rung der BRD ist ver­fas­sungs­kon­form. Dies hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt mit Be­schluss vom 07.11.2016 be­kräf­tigt und meh­re­re Ver­fas­sungs­be­schwer­den ehe­ma­li­ger Stasi-Mit­ar­bei­ter nicht zur Ent­schei­dung an­ge­nom­men. Die Be­schwer­de­füh­rer hät­ten ins­be­son­de­re keine neuen Tat­sa­chen vor­ge­bracht, um eine er­neu­te ver­fas­sungs­recht­li­che Prü­fung der Über­füh­rung der Ren­ten­an­sprü­che zu recht­fer­ti­gen (Az.: 1 BvR 1089/12, 1 BvR 455/16, 1 BvR 2368/14, 1 BvR 2483/13, 1 BvR 708/13, 1 BvR 363/13 und 1 BvR 1090/12).

Be­schwer­de­füh­rer ge­hör­ten als MfS-Mit­ar­bei­ter Son­der­ver­sor­gungs­sys­tem an

Die Be­schwer­de­füh­rer waren in der DDR haupt­amt­li­che Mit­ar­bei­ter des Mi­nis­te­ri­ums für Staats­si­cher­heit (MfS). Sie ge­hör­ten für die Zeit ihrer Zu­ge­hö­rig­keit zum MfS dem dor­ti­gen Son­der­ver­sor­gungs­sys­tem an, durch das eine ei­gen­stän­di­ge Si­che­rung der Mit­glie­der des MfS au­ßer­halb der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung in der DDR ge­währ­leis­tet wer­den soll­te.

Ge­setz­ge­ber pass­te Über­füh­rungs­vor­schrif­ten nach BVerfG-Ur­tei­len von 1999 an

In zwei Ur­tei­len aus dem Jahr 1999 er­klär­te das BVerfG die für die Über­füh­rung in der DDR er­wor­be­ner Ren­ten­an­sprü­che von Mit­glie­dern des MfS ma­ß­geb­li­chen Vor­schrif­ten des § 7 Abs. 1 Satz 1 des An­spruchs- und An­wart­schafts­über­füh­rungs­ge­set­zes (AAÜG) a. F. be­zie­hungs­wei­se § 307b SGB VI a. F. für in be­grenz­tem Um­fang mit dem Grund­ge­setz un­ver­ein­bar, wor­auf­hin der Ge­setz­ge­ber die Vor­schrif­ten än­der­te. Die gegen die Be­schwer­de­füh­rer in der Folge er­gan­ge­nen Ren­ten­be­schei­de be­grenz­ten die Höhe ihrer Ren­ten­an­sprü­che ent­spre­chend der ge­setz­li­chen Re­ge­lung.

Be­schwer­de­füh­rer be­rie­fen sich für er­neu­te Prü­fung auf neue Tat­sa­chen

Mit ihren Ver­fas­sungs­be­schwer­den wen­de­ten sich die Be­schwer­de­füh­rer gegen die be­las­ten­den Ren­ten­be­schei­de und die dazu er­gan­ge­nen Ge­richts­ent­schei­dun­gen. Sie rüg­ten im We­sent­li­chen eine Ver­let­zung ihrer Grund­rech­te aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Sie be­grün­de­ten ihre Ver­fas­sungs­be­schwer­den damit, dass sich aus den von ihnen vor­ge­leg­ten Gut­ach­ten neue rechts­er­heb­li­che Tat­sa­chen er­gä­ben, die eine er­neu­te Ent­schei­dung des BVerfG "über das MfS-Son­der­re­gle­ment" not­wen­dig mach­ten.

BVerfG: Ver­fas­sungs­be­schwer­den gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 AAÜG n. F. un­zu­läs­sig

Das BVerfG hat die Ver­fas­sungs­be­schwer­den man­gels Zu­läs­sig­keit nicht zur Ent­schei­dung an­ge­nom­men. So­weit sie sich gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 AAÜG n. F. rich­te­ten, sah das BVerfG in dem Vor­brin­gen der Be­schwer­de­füh­rer und den von ihnen vor­ge­leg­ten Un­ter­la­gen kei­nen aus­rei­chen­den Grund, in eine er­neu­te ver­fas­sungs­recht­li­che Prü­fung der Über­füh­rung der Ren­ten­an­sprü­che aus der Zeit der Zu­ge­hö­rig­keit zum Son­der­ver­sor­gungs­sys­tem des MfS ein­zu­tre­ten.

BVerfG-Ur­teil von 1999 hielt Re­du­zie­rung auf Durch­schnitts­ent­gelt für zu­läs­sig

Dabei macht das BVerfG zu­nächst deut­lich, dass es - ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­schwer­de­füh­rer - in dem Ur­teil von 1999 § 7 Abs. 1 Satz 1 AAÜG a. F. nicht un­ein­ge­schränkt für mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 GG un­ver­ein­bar und nich­tig er­klärt habe. Es habe viel­mehr den dies­be­züg­li­chen Aus­spruch aus­drück­lich dar­auf be­schränkt, dass dies (nur) gilt, so­weit für die Ren­ten­be­rech­nung das zu­grun­de zu le­gen­de Ar­beits­ent­gelt oder Ar­beits­ein­kom­men unter das je­wei­li­ge Durch­schnitts­ent­gelt im Bei­tritts­ge­biet ab­ge­senkt wird. Es seien auch hin­rei­chend deut­lich die Grün­de dar­ge­stellt wor­den, wegen derer eine Ab­sen­kung bis zum Durch­schnitts­ent­gelt ver­fas­sungs­recht­lich ge­recht­fer­tigt sei.

Keine neuen Tat­sa­chen vor­ge­bracht

Laut BVerfG haben die Be­schwer­de­füh­rer auch keine neuen Tat­sa­chen vor­ge­bracht, die die da­ma­li­gen Ent­schei­dungs­grund­la­gen in Frage stell­ten und damit trotz des Ur­teils von 1999 eine er­neu­te Prü­fung recht­fer­ti­gen könn­ten. Sie kri­ti­sier­ten le­dig­lich die ge­setz­li­che Re­ge­lung mit Ar­gu­men­ten, die für das BVerfG schon 1999 kein Grund ge­we­sen seien, eine Re­du­zie­rung auf das Durch­schnitts­ein­kom­men als ver­fas­sungs­recht­lich un­zu­läs­sig zu be­wer­ten. Wegen der Be­son­der­heit des Son­der­ver­sor­gungs­sys­tems des MfS könn­ten auch die wie­der­hol­ten, ein­schrän­ken­den Ge­set­zes­än­de­run­gen zu an­de­ren Ver­sor­gungs­sys­te­men und die die­sen zu­grun­de lie­gen­den Ent­schei­dun­gen des BVerfG nicht als ma­ß­geb­li­che Än­de­run­gen des recht­li­chen Um­felds oder als neue Tat­sa­chen be­grif­fen wer­den.

Ver­fas­sungs­be­schwer­de gegen § 307b SGB VI n. F. eben­falls un­zu­läs­sig

Auch so­weit ein Be­schwer­de­füh­rer eine Ver­fas­sungs­wid­rig­keit von § 307b SGB VI gel­tend ge­macht hatte, hat das BVerfG die Ver­fas­sungs­be­schwer­de für un­zu­läs­sig er­ach­tet. Der Be­schwer­de­füh­rer habe den von ihm gel­tend ge­mach­ten Gleich­heits­ver­stoß nicht hin­rei­chend be­grün­det. Seine Ar­gu­men­ta­ti­on er­schei­ne be­reits im Aus­gangs­punkt nicht plau­si­bel. § 307b SGB VI ent­hal­te zur Höhe der in die Be­rech­nung ein­zu­stel­len­den Ar­beits­ver­diens­te keine Re­ge­lung. Er knüp­fe viel­mehr für die Ver­gleichs­ren­ten­be­rech­nung an den Ver­si­che­rungs­ver­lauf und damit an au­ßer­halb der Vor­schrift lie­gen­de Nor­men an.

Reich­wei­te des vom BVerfG an­ge­nom­me­nen Gleich­heits­ver­sto­ßes ver­kannt

Im Üb­ri­gen über­se­he der Be­schwer­de­füh­rer, dass es das BVerfG nur als gleich­heits­wid­rig an­ge­se­hen hat, dass bei der Neu­be­rech­nung von Be­stands­ren­ten aus Zei­ten der Zu­ge­hö­rig­keit zu einem Son­der­ver­sor­gungs­sys­tem die wäh­rend der ge­sam­ten Ver­si­che­rungs­zeit be­zo­ge­nen tat­säch­li­chen Ar­beits­ein­kom­men zu­grun­de ge­legt wur­den, wäh­rend für die sons­ti­gen Be­stands­rent­ner aus dem Bei­tritts­ge­biet ein 20-Jah­res-Zeit­raum ma­ß­geb­lich war (und ist).

Bes­ser­stel­lung der Be­stands­rent­ner durch Ty­pi­sie­rungs­funk­ti­on ge­recht­fer­tigt

Schlie­ß­lich ver­kennt der Be­schwer­de­füh­rer laut BVerfG, dass durch die an­ge­grif­fe­nen Vor­schrif­ten die oh­ne­hin er­heb­li­chen Schwie­rig­kei­ten der Über­füh­rung von rund vier Mil­lio­nen lau­fen­der Ren­ten be­herrsch­bar ge­macht wer­den soll­ten. Die mit der Re­ge­lung ty­pi­scher­wei­se ein­her­ge­hen­de Bes­ser­stel­lung der Be­stands­rent­ner sei nur eine aus Ty­pi­sie­rungs­grün­den hin­nehm­ba­re Ne­ben­fol­ge, die dann al­ler­dings für die Über­füh­rung von Be­stands­ren­ten aus allen Son­der- und Zu­satz­ver­sor­gungs­sys­te­men der DDR gel­ten müsse. Trete diese Bes­ser­stel­lung wegen der Be­son­der­hei­ten des in­di­vi­du­el­len Le­bens­lau­fes oder der be­rück­sich­ti­gungs­fä­hi­gen Ent­gel­te nicht ein, so lasse sich ein Gleich­heits­ver­stoß damit nicht nach­voll­zieh­bar be­grün­den.

BVerfG, Beschluss vom 07.11.2016 - 1 BvR 1089/12

Redaktion beck-aktuell, 2. Januar 2017.

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