BAföG trotz Miteigentum am Elternhaus

Angehende Studenten, die als Mitglieder einer Erbengemeinschaft Miteigentum an einem selbstbewohnten Einfamilienhaus haben, müssen ihren Anteil nicht zwingend verwerten, um ihr Studium zu finanzieren. Das Bundesverfassungsgericht hat es als willkürlich angesehen, entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung hier keine unbillige Härte anzunehmen.

Kein BAföG wegen Nichteinsatzes des Miteigentums am Einfamilienhaus

Ein junger Mann, der seinen Vater verloren hatte, wollte studieren und beantragte Leistungen nach dem BAföG. Er gab an, dass er ein Zwölftel seines Elternhauses geerbt habe, in dem er – genauso wie seine Mutter und zwei Geschwister – noch wohne. Das Studentenwerk Frankfurt lehnte ab und argumentierte, er solle sein Miteigentum verwerten und davon sein Studium finanzieren. Das wollte der angehende Student nicht, weil er sowohl sein Elternhaus als auch den Familienfrieden erhalten wollte. Das Verwaltungsgericht Frankfurt akzeptierte diese Argumente nicht und der Hessische Verwaltungsgerichtshof lehnte seinen Antrag auf Zulassung der Berufung ab. Der junge Mann erhob Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht– mit Erfolg.

Verstoß gegen das Willkürverbot

Die Verfassungsrichter sahen in der Ablehnung der Leistung trotz Vorliegens einer unbilligen Härte nach § 29 Abs. 3 BAföG eine offensichtliche Verletzung seines Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG. Sie halten die Annahme, es sei dem jungen Mann zumutbar, die Erbauseinandersetzung zu betreiben, um sein Zwölftel zu verwerten, für "nicht nachvollziehbar". Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung stelle unverwertbares Vermögen eine unbillige Härte nach § 29 Abs. 3 BAföG dar, darunter falle auch der im Wege der Zwangsversteigerung regelmäßig eintretende wirtschaftliche Verlust. Es erscheint dem BVerfG unverständlich, dass das Verwaltungsgericht ohne irgendwelche Anhaltspunkte davon ausgeht, dass das Haus für einen angemessenen Preis verkauft werden kann. Auch gehöre dem jungen Mann lediglich ein geringer Anteil am Grundstück. Zudem, so die Karlsruher Richter, wären auch die anderen Familienmitglieder zu einer Verwertung ihres Vermögens gezwungen. Die Entscheidungen wurden aufgehoben und die Sache an das VG Frankfurt am Main zurückverwiesen. 

BVerfG, Beschluss vom 21.03.2023 - 1 BvR 1620/22

Redaktion beck-aktuell, 5. Mai 2023.