Rechtsschutz-Defizite beim Europäischen Patentamt behoben
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Unternehmen haben laut Bundesverfassungsgericht inzwischen ausreichende Möglichkeiten, sich gegen Entscheidungen des Europäischen Patentamts rechtlich zu wehren. In der Vergangenheit habe es hier Defizite gegeben. Diese seien seit einer Strukturreform im Jahr 2016 jedoch weitgehend behoben, so das Gericht. Mehrere Verfassungsbeschwerden deutscher und ausländischer Unternehmen blieben daher erfolglos.

Mehrere Unternehmen rügten Defizite im Rechtsschutzsystem des Europäischen Patentamts

Mehrere Unternehmen aus Deutschland, anderen EU-Staaten und Drittstaaten wandten sich mit ihren Verfassungsbeschwerden unmittelbar gegen Entscheidungen der Technischen Beschwerdekammern und der Großen Beschwerdekammer. Sie rügten generelle und offenkundige Defizite des Rechtsschutzsystems innerhalb der Europäischen Patentorganisation (EPO), die ihre Grundrechte auf ein faires Verfahren, den gesetzlichen Richter und auf rechtliches Gehör verletzten.

Verfassungsbeschwerden schon nicht zulässig

Laut BVerfG sind die Verfassungsbeschwerden schon nicht zulässig. Zum Teil fehle die Beschwerdeberechtigung. Ferner fehle es den Verfassungsbeschwerden an einem tauglichen Beschwerdegegenstand, da sie sich unmittelbar gegen die Entscheidungen der Technischen Beschwerdekammern und der Großen Beschwerdekammer richteten. Das Europäische Patentamt unterliege als zwischenstaatliche Einrichtung nur eingeschränkter Kontrolle durch das deutsche Verfassungsgericht. Das BVerfG prüfe nur, ob das vom Grundgesetz geforderte Minimum an Grundrechtsschutz verletzt ist. So müsse der deutsche Gesetzgeber sicherstellen, dass Betroffenen bei Maßnahmen der Einrichtung ein wirkungsvoller Rechtsschutz offensteht. 

Unterschreitung der Mindestanforderungen an wirkungsvollen Rechtsschutz nicht dargelegt

Laut BVerfG haben die Beschwerdeführerinnen aber auch nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass das von Art. 19 Abs. 4 GG geforderte Mindestmaß an wirkungsvollem Rechtsschutz durch die Organisation des Rechtsprechungssystems innerhalb der EPO auch noch nach der Strukturreform im Jahre 2016 verfehlt würde, mit der Folge, dass die deutschen Verfassungsorgane aktuell verpflichtet wären, dem entgegenzutreten. So hätten zwar bis zur Strukturreform von 2016 eine Reihe von Gesichtspunkten bestanden, die die Unabhängigkeit gefährdet hätten. Zum Beispiel sei der EPA-Präsident sei ermächtigt gewesen, Disziplinarmaßnahmen gegen Mitglieder der Beschwerdekammern und der Großen Beschwerdekammer vorzuschlagen. Diese seien zudem auf seinen Vorschlag hin (für fünf Jahre) ernannt worden.

Mindestmaß jedenfalls seit Strukturreform gewährleistet

Die Defizite seien mit der Strukturreform 2016 jedoch weitgehend behoben worden, sodass eine Gesamtschau eine Unterschreitung des Mindestmaßes an wirkungsvollem Rechtsschutz nicht (mehr) trage. Die Beschwerdekammern und die Große Beschwerdekammer, die bis dahin in die Verwaltung des Europäischen Patentamts eingegliedert waren, seien als gesonderte Beschwerdekammereinheit organisiert worden, die vom Vorsitzenden der Großen Beschwerdekammer als Präsident geleitet werde. Dieser sei vom Präsidenten des Amts unabhängig und habe jetzt auch das Vorschlagsrecht für Ernennungen und Disziplinarmaßnahmen.

BVerfG, Beschluss vom 08.11.2022 - 2 BvR 2480/10

Redaktion beck-aktuell, 12. Januar 2023 (ergänzt durch Material der dpa).