Keine Auslieferung in die Türkei ohne faire Verfahrensbedingungen
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Ein türkischer Straftäter darf nur dann in seine Heimat ausgeliefert werden, wenn ausreichend geklärt ist, inwieweit die dortige Hauptverhandlung dem Grundsatz des fairen Verfahrens genügt. Das hat das BVerfG entschieden und die Auslieferung eines Mannes gestoppt, der befürchtete, in der Türkei nicht persönlich an der Verhandlung teilnehmen zu dürfen.

Ein bereits in Deutschland verurteilter türkischer Straftäter wandte sich gegen seine von der Türkei beantragte Auslieferung. Im Heimatland wird ihm vorgeworfen, an der bandenmäßigen Einfuhr von Kokain in die Türkei beteiligt gewesen zu sein. Obwohl der Betroffene befürchten muss, wegen der großen Entfernung zwischen der vorgesehenen Haftanstalt in Yalvaç und dem Gericht in Izmir nicht persönlich im Gerichtssaal, sondern nur per Videokonferenz an der gegen ihn geführten Hauptverhandlung teilnehmen zu dürfen, hat das OLG Celle seine Auslieferung für zulässig erklärt und einen Antrag auf Aufschub abgelehnt. Hiergegen legte der Mann Verfassungsbeschwerde ein.

Mit Erfolg: Das BVerfG hob den OLG-Beschluss zur Zulässigkeit der Auslieferung auf (Beschluss vom 18.12.2023 – 2 BvR 1368/23). Die Entscheidung verletze den Beschwerdeführer in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG. Das OLG habe nicht ausreichend geklärt, ob der Mann nach seiner Auslieferung ein faires Verfahren bekomme. Der EGMR habe dem Recht eines Angeklagten auf Anwesenheit in der strafgerichtlichen Hauptverhandlung eine herausragende Bedeutung beigemessen. Daher hätte das OLG bereits im Ausgangspunkt klären müssen, ob der Beschwerdeführer nach türkischem Recht grundsätzlich das Recht habe, auf seinen Wunsch hin an einer gegen ihn gerichteten erstinstanzlichen Hauptverhandlung persönlich teilzunehmen.

Sachaufklärung des OLG unzureichend

Die Pflicht des OLG zur umfassenden Sachaufklärung beziehe sich auch auf das einschlägige Prozessrecht des ersuchenden Staates, wenn der Verfolgte – wie hier – substantiiert darlege, im Fall seiner Auslieferung einem Strafverfahren ausgesetzt zu sein, in dem seinem Recht auf Anwesenheit nicht genügt werde. Gleichwohl habe das OLG nicht ermittelt, wie das Anwesenheitsrecht im Strafverfahren nach türkischem Recht konkret ausgestaltet ist und unter welchen Bedingungen Einschränkungen zugelassen sind.

Die an die türkischen Behörden gerichtete Frage, ob "das Anwesenheitsrecht des Angeklagten in der Hauptverhandlung durch den Einsatz von Videokonferenztechnik gewahrt" werde, deutet laut BVerfG vielmehr eine bereits feststehende Rechtsauffassung des OLG an. Die Frage nehme das Ergebnis der dem OLG obliegenden Prüfung, ob der Grundsatz des fairen Verfahrens durch die beabsichtigte Durchführung der anstehenden Hauptverhandlung allein mittels Videokonferenztechnik überhaupt sichergestellt werden kann, in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vorweg.

BVerfG, Beschluss vom 18.12.2023 - 2 BvR 1368/23

Redaktion beck-aktuell, ak, 9. Januar 2024.