BVerfG: Asperger-Autist kann nicht Teilnahme an mündlicher Verhandlung per Home-Online-Chat verlangen

Eine Erkrankung am Asperger-Syndrom gibt keinen Anspruch darauf, an einer mündlichen Verhandlung von zu Hause aus per Online-Chat teilnehmen zu können. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 27.11.2018 entschieden und eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG werde dadurch nicht verletzt (Az.: 1 BvR 957/18).

Asperger-Autist begehrte Teilnahme an mündlicher Verhandlung per Online-Chat

Der Beschwerdeführer leidet an Autismus in Gestalt des Asperger-Syndroms. Auf Grund der Erkrankung begehrte er, über einen längeren Zeitraum von seinem heimischen Computer aus zu kommunizieren statt bei der mündlichen Verhandlung unmittelbar anwesend zu sein. Dies lehnte das Landessozialgericht ab, bot dem Beschwerdeführer jedoch an, die mündliche Verhandlung durch Übersendung des schriftlichen Sachberichts vorab sowie durch Kommunikation im Gerichtssaal mittels Computer an seine Bedürfnisse anzupassen. Dagegen legte der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde ein.

BVerfG: Benachteiligungsverbot nicht verletzt

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Es bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die ablehnende Entscheidung des LSG. Das Begehren des Beschwerdeführers, die mündliche Verhandlung nach seinen Vorstellungen auszugestalten, werde von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht getragen. Zwar müssten Gerichte das Verfahren stets nach pflichtgemäßen Ermessen unter Beachtung von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG so führen, dass den gesundheitlichen Belangen der Verfahrensbeteiligen Rechnung getragen wird. Diese Verpflichtung bestehe jedoch nicht uneingeschränkt. Die durch eine mündliche Verhandlung geschaffene Transparenz und die Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes zur korrekten Ermittlung des Sachverhalts seien rechtsstaatlich unerlässlich.

Erkrankung kann durch andere Maßnahmen Rechnung getragen werden

Gemessen an diesen Maßstäben verneint das BVerfG nach einer Gesamtwürdigung eine verfassungsrechtlich zu beanstandende Ungleichbehandlung. Die von dem Beschwerdeführer begehrte Ausgestaltung der mündlichen Verhandlung würde sich zu den genannten Verfassungsprinzipien in Widerspruch setzen. Hingegen würden durch die mögliche Bestellung eines Bevollmächtigten oder Beistands sowohl die Rechte des Beschwerdeführers als auch die dargestellten Prinzipien gewahrt und in einen schonenden Ausgleich gebracht.

BVerfG, Beschluss vom 27.11.2018 - 1 BvR 957/18

Redaktion beck-aktuell, 3. Januar 2019.

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