Keine Erlaubnis zum Erwerb tödlichen Mittels
Die in den Jahren 1937 und 1944 geborenen Eheleute begehrten vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, ihnen jeweils eine Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis Natriumpentobarbital zum Zweck der Selbsttötung zu erteilen. Die Erlaubnis wurde vom Institut verweigert und dessen Entscheidung anschließend von den Fachgerichten bestätigt. Diese Entscheidungen ergingen zeitlich vor dem bahnbrechenden Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2020, mit dem ein aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitetes Recht auf selbstbestimmtes Sterben anerkannt und der Straftatbestand der gewerbsmäßigen Suizidbeihilfe (§ 217 StGB) für nichtig erklärt wurde.
Nach BVerfG-Urteil andere Optionen als Verfassungsbeschwerde
Die Zweite Kammer des Ersten Senats hat nun entschieden, dass die Verfassungsbeschwerde angesichts des Urteils vom Februar 2020 nicht mehr dem Subsidiaritätsgrundsatz im Sinn des § 90 Abs. 2 BVerfGG genügt und daher unzulässig ist. Die Beschwerdeführer hätten nunmehr die Möglichkeit, ihren Wunsch nach einem selbstbestimmten Lebensende auf andere Weise zu verwirklichen. Sie seien zunächst gehalten, durch aktive Suche nach suizidhilfebereiten Personen im Inland, durch Bemühungen um eine ärztliche Verschreibung des gewünschten Wirkstoffs oder auf anderem geeigneten Weg ihr anerkanntes Recht konkret zu verfolgen. Denn die Möglichkeit der Selbsttötung infolge der besagten Entscheidung und der darin ausgesprochenen Nichtigerklärung des § 217 StGB sei nun wesentlich verbessert. Es liege nicht mehr auf der Hand, dass eine aktive Suche der Beschwerdeführer nach medizinisch kundigen Suizidbeihelfern und verschreibungswilligen und -berechtigten Personen aussichtslos wäre. Unter strafrechtlichem Blickwinkel dürfte eine solche Leistung vielmehr angeboten werden.
BVerfG wünscht Vorabklärung der tatsächlichen und rechtlichen Situation
Die Beschwerdeführer sind hingegen der Ansicht, dass sie sich das begehrte Medikament nicht erst ärztlich verschreiben lassen müssen, weil das ärztliche Landesstandesrecht eine solche Verschreibung nicht gestatte. Angebote von Suizidbeihilfe bestünden auch nach Wegfall der Strafdrohung des § 217 StGB faktisch nicht. Andere Möglichkeiten, das Recht auf selbstbestimmtes Sterben zu realisieren, seien nicht vorhanden. Das BVerfG dagegen erhofft sich von einer Vorabklärung der grundlegend modifizierten tatsächlichen und rechtlichen Situation und der damit verbundenen Abklärung des nunmehr geltenden fachrechtlichen Rahmens erheblich verbesserte verfassungsgerichtliche Entscheidungsgrundlagen. Nur auf Grundlage einer solchen Klärung der Sach- und Rechtslage sei absehbar, ob infolge der Nichtigerklärung des § 217 StGB nun ausreichende praktische und zumutbare Möglichkeiten bestehen, einen Suizidwunsch zu realisieren.
Derzeit keine eigene Sachentscheidung möglich
Eine verfassungsgerichtliche Sachentscheidung zum jetzigen Zeitpunkt müsste demgegenüber auf weitgehend unsicherer Grundlage hinsichtlich der gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten ergehen. Eben davor solle der Subsidiaritätsgrundsatz schützen. Eine Sachentscheidung würde schließlich den im Urteil des Zweiten Senats anerkannten politischen Gestaltungsspielraum bei der Erarbeitung eines übergreifenden legislativen Schutzkonzepts weitgehend einschränken und die Gestaltungsentscheidung faktisch vorwegnehmen.