Kein Hängebeschluss gegen Bekanntgabe der Mitgliederzahl des AfD-"Flügels"

Im Streit um eine Bekanntgabe der Mitgliederzahl des AfD-"Flügels" durch den Verfassungsschutz hat das Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag der Partei auf eine Zwischenentscheidung im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren abgelehnt. Der Antrag sei nicht ausreichend begründet worden, so das BVerfG.

Fachgerichte lehnten Zwischenregelung in Eilverfahren ab

Die AfD will in einem Eilverfahren vor den Fachgerichten erreichen, dass dem Bundesamt für Verfassungsschutz untersagt wird, öffentlich bekanntzugeben, dass ihrem "Flügel" etwa 7.000 Mitglieder angehören. Sie beantragte zugleich, bis zu einer Entscheidung über diesen Eilantrag eine Zwischenregelung (einen sogenannten Hängebeschluss) zu erlassen. Sie argumentierte, die Zahl sei frei erfunden. Ihre Bekanntgabe habe eine stigmatisierende und ehrschädigende Wirkung, weil sie den vom "Flügel" vertretenen politischen Anschauungen eine Bedeutung beimesse, die diese in der Partei nicht hätten. Das Verwaltungsgericht Köln lehnte eine Zwischenregelung ab, weil es die voraussichtlichen Folgen einer Bekanntgabe als gering einschätzte. Die Zahl von 7.000 Mitgliedern sei schon früher an die Öffentlichkeit gelangt und tauche auch im Verfassungsschutzbericht 2019 auf. Auch die Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht Münster blieb ohne Erfolg. Anschließend wandte sich die AfD mit einem Eilantrag an das BVerfG, um dem Bundesamt für Verfassungsschutz die Bekanntgabe der Mitgliederzahl des "Flügels" bis zur Entscheidung des VG im fachgerichtlichen Eilverfahren zu verbieten.

BVerfG: Grundrechtsverletzung nicht ausreichend dargetan

Das BVerfG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antrag sei nicht hinreichend begründet worden. Weder der geltend gemachte Art. 19 Abs. 4 GG noch der in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Justizgewährungsanspruch gewährleisteten eine uneingeschränkte Richtigkeitskontrolle fachgerichtlicher (Zwischen-)Entscheidungen durch das BVerfG. Zur Begründung einer Grundrechtsverletzung hätte die Antragstellerin vielmehr darlegen müssen, dass die angegriffenen Entscheidungen auf der Verkennung der Bedeutung und Tragweite ihrer Grundrechte oder sonstigen sachwidrigen Gründen beruhten. Dazu habe die Antragstellerin sich nicht hinreichend verhalten. Sie habe außerdem nicht nachvollziehbar dargelegt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz beabsichtigt, vor der Entscheidung des VG im einstweiligen Verfügungsverfahren die Zahl ihrer Mitglieder, die aktuell dem sogenannten "Flügel" der Antragstellerin angehören sollen, öffentlich bekanntzugeben.

Weiteres Eilverfahren gegen Einstufung der AfD als "Verdachtsfall"

Als "Flügel" wird ein von Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke 2015 gegründetes Netzwerk bezeichnet, das sich im April 2020 nach Druck aus der Parteispitze formal aufgelöst hatte. Der weitaus bedeutendere Streit der AfD mit dem Verfassungsschutz dreht sich aber um die Einstufung der Partei als rechtsextremistischer Verdachtsfall. Hier hatte das VG Köln dem Bundesamt Anfang März 2021 verboten, die AfD bis zum Abschluss des Eilverfahrens als "Verdachtsfall" einzuordnen oder zu behandeln. Zuvor war die Hochstufung durch Medienberichte bekanntgeworden. Das hatte das Gericht als Bruch einer sogenannten Stillhaltezusage gewertet. Eine inhaltliche Bewertung, ob eine "Verdachtsfall"-Beobachtung der gesamten AfD mit V-Leuten und anderen nachrichtendienstlichen Mitteln gerechtfertigt ist oder nicht, ist das noch nicht. Die Prüfung dieser Frage läuft derzeit.

BVerfG, Beschluss vom 12.03.2021 - 2 BvQ 17/21

Redaktion beck-aktuell, 18. März 2021 (ergänzt durch Material der dpa).