AfD-Abgeordnete scheitern mit Verfassungsbeschwerde wegen 2G-Regeln

Zurzeit dürfen nach der Berliner Infektionsschutzmaßnahmenverordnung Übernachtungen in Hotels nur unter der 2G-Bedingung angeboten werden. Elf ungeimpfte und außerhalb Berlins lebende Bundestagsabgeordnete der AfD-Fraktion haben wegen dieser Regelung Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie sehen sich in ihren Abgeordnetenrechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, weil sie dadurch an der Teilnahme bei der Wahl des Bundeskanzlers durch den Bundestag am 08.12.2021 gehindert würden. Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde am Montag mangels Zulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen.

Hotelübernachtungen nur für Geimpfte und Genesene

Gemäß der aktuell geltenden Vorschrift des § 19 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der 3. InfSchMV des Landes Berlin vom 23.11.2021 dürfen Übernachtungen in Hotels, Beherbergungsbetrieben, Ferienwohnungen und ähnlichen Einrichtungen nur unter der 2G-Bedingung angeboten und grundsätzlich ausschließlich gegen Covid-19 geimpfte Personen oder genesenen Personen Einlass gewährt werden. Die elf Beschwerdeführer leben "außerhalb Berlins weit entfernt vom Bundestag" und hatten ihr Mandat eigenen Angaben zufolge bisher während der Sitzungswochen mittels Übernachtungen in Berliner Hotels wahrgenommen.

Durch 2G-Regel in Abgeordnetenrechten verletzt?

Die Abgeordneten führten aus, dass am 08.12.2021 voraussichtlich die Wahl des Bundeskanzlers durch den Deutschen Bundestag gemäß Art. 63 Abs. 1 GG und am 09.12.2021 um 9:00 Uhr die nächste Plenarsitzung des Bundestages stattfinde. Ferner sei am 10.12.2021 eine "äußerst wichtige" Sitzung der AfD-Fraktion, in der die Mitgliedschaft der Abgeordneten in den Ausschüssen festgelegt werde. Wegen der geltenden 2G-Regel in Berliner Beherbergungsbetrieben könnten sie nicht an den vorgenannten parlamentarischen Veranstaltungen teilnehmen. Dies sei eine Verletzung ihres Abgeordnetenrechts aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG.

BVerfG verweist auf Subsidiaritätsgrundsatz

Die Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos, Die Beschwerdeführer haben laut BVerfG nicht genügend dargelegt, dass die Verfassungsbeschwerde den Subsidiaritätsgrundsatz wahrt. Insbesondere hätten sie nicht hinreichend dazu vorgetragen, dass die Verfassungsbeschwerde von allgemeiner Bedeutung sei oder ihnen ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls sie zunächst auf die fachgerichtliche Kontrolle verwiesen werden würden. Stattdessen hätten die Beschwerdeführer nur vorrangig geltend gemacht, an der Wahrnehmung ihrer Abgeordnetenrechte gehindert zu sein. Dass insoweit überhaupt gleichgelagerte Fälle existieren, sei nicht dargelegt oder in sonstiger Weise ersichtlich, stellten die Karlsruher Richter fest.

Rechtsverordnung kann auch von Fachgerichten gekippt werden

Soweit bei den Beschwerdeführern die Erwartung vorlag, dass grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen (über den Kreis der Abgeordneten hinaus) geklärt werden könnten, hat das BVerfG darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführer sich gegen eine Rechtsverordnungsnorm wenden, die auch von den Fachgerichten verworfen werden könne. Unabhängig davon hänge die verfassungsrechtliche Beurteilung der angegriffenen Norm nicht allein von spezifisch verfassungsrechtlichen Fragen ab. Vielmehr seien für sie auch tatsächliche Bewertungen der Entwicklung der Pandemie, der von verschiedenen Personengruppen ausgehenden Infektionsrisiken und der ergriffenen und möglichen Schutzmaßnahmen von wesentlicher Bedeutung. Daher sei die fachgerichtliche Aufbereitung der Entscheidungsgrundlagen vor einer Anrufung des BVerfG geboten, heißt es im Beschluss vom Montag weiter.

Angaben zu schweren Nachteilen fehlen

Auch fehlten dem BVerfG im Vortrag der Beschwerdeführer konkrete Angaben zu schweren und unabwendbaren Nachteilen, die ihnen bei einer Erschöpfung des Rechtsweges erwachsen sollen. So sei schon nicht ersichtlich, weshalb die Beschwerdeführer nicht bis zum 08.12.2021 fachgerichtlichen Eilrechtsschutz erlangen hätten können. Auch hätten sie nicht substantiiert dargelegt, dass sie auch bei Ausschöpfung zumutbarer eigener Bemühungen gehindert wären, die von ihnen benannten parlamentarischen Verpflichtungen wahrzunehmen. Ferner hätten die Beschwerdeführer zum Teil auch nicht angegeben, wo sich ihr Wohnsitz befindet und welcher Zeitaufwand erforderlich wäre, um bei einer Anreise von ihrem Wohnsitz an den Sitzungen des Bundestages teilnehmen zu können. Auch hätten die Beschwerdeführer nichts dazu vorgetragen, inwieweit sie auf die Nutzung von Unterkunftsmöglichkeiten in Berlin angewiesen seien, um ihr Mandat im fraglichen Zeitraum wahrnehmen zu können.

Auch Ausnahmen von 2G-Regelung möglich

Das BVerfG wies in seiner Entscheidung auch darauf hin, dass gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 der Zweiten Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg vom 23.11.2021 dort für Beherbergungen zu geschäftlichen oder dienstlichen Zwecken eine Ausnahme von der 2G-Regel gelte. Vor diesem Hintergrund könne nicht davon ausgegangen werden, dass den Beschwerdeführern keine Möglichkeiten zur Verfügung standen, den geltend gemachten Nachteil auf zumutbare Weise abzuwenden, so die Karlsruher Richter.

Grundrechtsverletzung nicht hinreichend dargelegt

Die Beschwerdeführenden haben laut BVerfG auch eine Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten nicht hinreichend dargelegt. Das in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgte freie Mandat gewährleiste den Abgeordneten zwar alle für die Ausübung ihres Mandats wesentlichen Befugnisse. Dazu gehörten umfangreiche Statusrechte der Abgeordneten, insbesondere Rede-, Stimm-, Initiativ-, Frage- und Informationsrechte, sowie das Recht auf gleiche Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung. Die Beschwerdeführer setzten sich allerdings nicht damit auseinander, inwieweit die angegriffene Rechtsverordnungsnorm des Landes Berlin in ihre Individualrechte eingreift. Denn die Regelung sei nicht auf eine Beschränkung der durch das freie Mandat des Abgeordneten gewährleisteten Rechte gerichtet. Insoweit liege kein unmittelbarer Eingriff in den Schutzgehalt der Norm vor.

Sachvortrag belegt keinen unmittelbaren Grundrechtseingriff

Zwar schütze Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG als Teil der Ausübung des freien Mandates auch die tatsächliche Möglichkeit, an den Sitzungen des Bundestages teilzunehmen und gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 1 GG dürfe niemand gehindert werden, das Amt eines Angeordneten auszuüben. Der Anwendungsbereich des Art. 48 Abs. 2 GG werde aber nur durch ein Verhalten berührt, das die Übernahme oder Ausübung des Abgeordnetenmandats erschweren oder unmöglich machen soll, nicht aber durch eine Regelung, die in eine andere Richtung ziele und nur unvermeidlicherweise die tatsächliche Folge oder Wirkung einer Beeinträchtigung der Freiheit der Mandatsübernahme und -ausübung habe. Vor diesem Hintergrund hätten die Beschwerdeführer erklären müssen, inwieweit die angegriffene Norm überhaupt einen mit der Verfassungsbeschwerde rügefähigen Eingriff in den Schutzgehalt des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG darstelle. Dem trage ihr Sachvortrag unzureichend Rechnung.

BVerfG, Beschluss vom 06.12.2021 - 2 BvR 2164/21

Redaktion beck-aktuell, 8. Dezember 2021.