AfD-Abgeordnete scheitern mit Eilantrag gegen “2G+“ im Bundestag

AfD-Abgeordnete, die die “2G+-Regel" nicht erfüllen, werden durch den Ausschluss von der Teilnahme an der Gedenkstunde im Deutschen Bundestag am 27.01.2022 nicht in ihren Rechten verletzt. Das Bundesverfassungsgericht hat einen entsprechenden Eilantrag der Fraktion und einzelner Abgeordneter am 26.01.2022 als unzulässig zurückgewiesen. Weder die freie Mandatsausübung noch Oppositionsrechte würden verletzt, so das Gericht.

Zutritt zum Plenarsaal nur unter Einhaltung von "2G+"

Angesichts der erhöhten Infektionsgefahren durch die Omikron-Variante sieht eine Allgemeinverfügung der Präsidentin des Deutschen Bundestags verschärfte Zugangsregeln für Abgeordnete vor. In den Bereichen des Bundestages, in denen bisher die "3G"-Regel galt (Plenum, Ausschüsse, Veranstaltungen), gilt nunmehr "2G+". Dies betrifft räumlich insbesondere den Zutritt zum Plenarsaal. Dieser ist nunmehr auf Geimpfte und Genesene beschränkt, die zusätzlich einen tagesaktuellen Antigen-Schnelltest oder eine Auffrischungsimpfung ("Boosterung") nachweisen müssen. Nicht geimpfte Abgeordnete können an Plenarsitzungen nur bei Nachweis eines negativen Tests auf gekennzeichneten Plätzen der Tribünen teilnehmen, nicht aber auf der unteren Ebene des Plenarsaals. Bei sonstigen Veranstaltungen des Deutschen Bundestages besteht diese Möglichkeit grundsätzlich nicht.

Tribünenregelung gilt nicht für Gedenkveranstaltung

Mit Schreiben vom 19.01.2022 teilte die Präsidentin des Deutschen Bundestags mit, dass anlässlich der Gedenkstunde am 27.01.2022 zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag die "2G+-Regel" gemäß der geltenden Allgemeinverfügung anwendbar und eine Teilnahme auf den Besuchertribünen nicht möglich ist. Die Antragsteller rügten eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG sowie eine Verletzung des Rechts auf effektive Opposition aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG durch die Beschränkung der Möglichkeit zur Teilnahme an der Gedenkstunde aufgrund der Anwendung der "2G+-Regel".

BVerfG verwirft Eilantrag als unzulässig

Das Bundesverfassungsgericht hat den Eilantrag der Antragsteller als unzulässig verworfen, weil es an einer substantiierten Darlegung fehle, dass den Antragstellern für den Fall, dass eine einstweilige Anordnung nicht erlassen werde, ein schwerer Nachteil drohe. Der Ausschluss ungeimpfter und nicht genesener Abgeordneter von der Teilnahme an der Gedenkstunde stelle jedenfalls keinen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf freie Mandatsausübung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG und auf effektive Opposition aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG dar. Insoweit hätte es zunächst einer Einordnung der Bedeutung von Gedenkstunden für die Wahrnehmung des freien Mandats und die politische Willensbildung bedurft. Gedenkstunden unterschieden sich deutlich von der sonstigen parlamentarischen Arbeit. Abgeordnete nähmen daran regelmäßig als bloße Zuhörer teil. Ein unmittelbarer politischer Austausch zwischen den Abgeordneten und Fraktionen des Deutschen Bundestages finde in Gedenkstunden normalerweise nicht statt. Vor diesem Hintergrund wäre eine Auseinandersetzung mit der Frage geboten gewesen, welche Bedeutung der Teilnahme an Gedenkstunden für die Wahrnehmung des freien Mandats und die Teilhabe an der politischen Willensbildung zukomme.

Oppositionsrechte durch Ausschluss von Gedenkveranstaltung nicht beeinträchtigt

Darüber hinaus sei in Bezug auf die AfD-Fraktion in Rechnung zu stellen, dass der größere Teil ihrer Abgeordneten an der Gedenkstunde teilnehmen könne. Deshalb hätte es näherer Erläuterung bedurft, warum der Ausschluss der übrigen Mitglieder einen so schwerwiegenden Nachteil bedeute, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung dringend geboten sei. Es erschließe sich nicht, wie durch den Ausschluss einzelner Abgeordneter von der Gedenkstunde des Deutschen Bundestages aus Gründen des Infektionsschutzes Missverständnisse hinsichtlich der Position der AfD zum Gedenken an den Holocaust ausgelöst werden könnten. Ebenso gereiche der Verweis der Antragsteller auf die Beeinträchtigung der Möglichkeit zur Ausübung effektiver parlamentarischer Opposition nicht zur substantiierten Darlegung eines schweren Nachteils. Es werde nicht deutlich, inwieweit die Gedenkstunde einen Rahmen für die über die bloße repräsentative Anwesenheit hinausgehende Wahrnehmung effektiver Opposition bieten könnte.

AfD-Fraktion hatte Zugangsregelung für Gedenkstunde im Vorfeld anerkannt

Im Übrigen seien die konkret beabsichtigten Zugangsregelungen für die Gedenkstunde bereits seit dem 16.12.2021 unwidersprochen bekannt gewesen. Die AfD-Fraktion habe ihr Einverständnis mit dem Hygienekonzept erklärt und sogar darauf hingewiesen, dass einige Abgeordnete danach nicht an der Veranstaltung teilnehmen könnten. Dies spreche dafür, dass jedenfalls zu diesem Zeitpunkt der Ausschluss einzelner Abgeordneter von der Teilnahme an der Gedenkstunde von der Fraktion selbst nicht als ein schwerwiegender, nicht hinnehmbarer Eingriff in ihre Rechtsstellung gewertet worden sei. Dass sich daran etwas geändert hätte und nunmehr ein schwerer Nachteil drohe, lasse sich dem Sachvortrag der Antragsteller nicht entnehmen. Einem der Antragsteller, der nicht vorgetragen habe, dass er an der Gedenkstunde teilnehmen möchte und dem im Rahmen der Gedenkstunde keine aktive Rolle zugedacht gewesen sei, habe auch kein schwerer Nachteil zuerkannt werden können. An der reinen Kenntnisnahme der Inhalte der Gedenkstunde sei er nicht gehindert, da diese unter anderem im Parlamentsfernsehen und im Internet übertragen werde.

BVerfG, Beschluss vom 26.01.2022 - 2 BvE 1/22

Redaktion beck-aktuell, 27. Januar 2022.