BVerfG: Abschiebung eines afghanischen Staatsangehörigen vorläufig gestoppt

Das Bundesverfassungsgericht hat die Abschiebung eines Afghanen nach Vornahme einer Folgenabwägung vorläufig, längstens jedoch bis zum 26.01.2017, untersagt. Der Stopp sei aufgrund besonderer Einzelfallumstände erfolgt: Der Abschluss des Asylerstverfahrens liege bereits 30 Monate zurück, so dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen sei. Bei der Folgenabwägung sei maßgeblich, dass dem Antragsteller eine Fortführung seines Asylfolgeantrags nach erfolgter Abschiebung unmöglich wäre, wenn sich später herausstellen würde, dass die Abschiebung rechtswidrig war. Ob angesichts der aktuellen Lage in Afghanistan Abschiebungen derzeit verfassungsrechtlich vertretbar seien, hat das BVerfG ausdrücklich offen gelassen (Beschluss vom 14.12.2016, Az.: 2 BvR 2557/16).

Afghane beantragt einstweilige Untersagung seiner Abschiebung

Der Antragsteller, ein 29jähriger afghanischer Staatsangehöriger, lebt seit 2012 in Deutschland. Ein nach seiner Einreise gestellter Asylantrag wurde abgelehnt. Das zuständige Verwaltungsgericht bestätigte diese Entscheidung durch rechtskräftiges Urteil. Im Februar 2016 stellte der Antragsteller einen Asylfolgeantrag und begründete diesen unter anderem mit der Entwicklung der Sicherheitslage in Afghanistan. Anfang Dezember 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag auf Durchführung eines Asylfolgevefahrens ab. Den daraufhin gestellten Eilantrag, der Ausländerbehörde die Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen vorläufig zu untersagen, lehnte das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 13.12.2016 ab. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Verfassungsbeschwerde verband der Antragsteller mit dem Antrag, die Abschiebung nach Afghanistan, die am 14.12.2016 erfolgen sollte, im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen.

BVerfG: Seit Asylerstverfahren vergangener Zeitraum von 30 Monaten könnte Aktualität der Abschiebungsgrundlage in Frage stellen

Das BVerfG hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach Vornahme einer Folgenabwägung stattgegeben. Die Verfassungsbeschwerde sei weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Denn im vorliegenden Fall liege der Abschluss des Asylerstverfahrens bereits 30 Monate zurück. Laut BVerfG könnte dies wegen der Fülle neuer Erkenntnismittel zu Afghanistan die verfassungsrechtlich erforderliche Aktualität der Tatsachengrundlage für eine Abschiebung in Frage stellen. Ob Abschiebungen nach Afghanistan im Ergebnis derzeit verfassungsrechtlich vertretbar seien, bedürfe demgegenüber keiner Entscheidung.

Abschiebung würde Fortführung des Asylfolgeantrags unmöglich machen

Würde sich nach erfolgter Abschiebung herausstellen, dass diese rechtswidrig war, wäre dem Antragsteller eine Fortführung seines Asylfolgeantrags angesichts der angespannten Lage in Afghanistan kaum möglich, so das BVerfG. Hingegen könne der Antragsteller ohne weiteres zu einem späteren Termin abgeschoben werden, sofern sich herausstellen würde, dass die Abschiebung ohne Rechtsverstoß hätte durchgeführt werden können, so dass die Folgen einer Ablehnung der begehrten einstweiligen Anordnung erheblich schwerer wögen.

BVerfG, Beschluss vom 14.12.2016 - 2 BvR 2557/16

Redaktion beck-aktuell, 15. Dezember 2016.

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